Eine schrecklich nette Werbefamilie
Die unterhaltsame Satire „Retten, was zu retten ist“der Jungen Ulmer Bühne wirft einen bösen Blick auf unsere Konsumwelt
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ULM - Werbung lebt von Menschen, die sich als Werbeträger dazu hergeben, ein Produkt oder eine Dienstleistung anzubieten. Schlüsselreize sind da das Lächeln, die vorgetragene Heiterkeit, das käufliche Glück. Eine solche „Werbefamilie“steht im Zentrum von Philip Heules Stück „Retten, was zu retten ist“, das nun bei der Jungen Ulmer Bühne (JUB) im Alten Theater seine Premiere feierte.
Die Familie – bestehend aus Papa Maximilian (Jörg Zenker), Mama Monika (Sina Baajour), Tochter Moni (Julia Ebert) und Sohn Maxi (Markus Hummel) – steht seit 14 Jahren gemeinsam vor der Kamera und intoniert schwachsinnige Werbetexte. Eingesperrt in eine Scheinwelt sind die Nerven der Darsteller zerrüttet: Papa und Mama erinnern sich nur noch in Ansätzen an ein Leben jenseits des Produktionsstudios. Die Mutter spielte vor kurzem in einem TV-Film mit, ohne allerdings mehr über dieses Projekt sagen zu können. Maxi kennt kein Leben jenseits des Studios mehr und das vorsichtige Aufbegehren von Moni mündet zwar immer wieder in einem allgemeinen Hinterfragen der eigenen Situation – doch loslösen mag sich keiner von der allzu bequemen Werbescheinwelt.
Die Inszenierung von Sven Wisser spielt zielsicher mit den Klischees, die man immer schon in der Werbebranche vermutete. So ist es auch kein Wunder, dass alle Ausbruchsversuche von Tochter Moni („Ich heiße nicht Moni!“) ins Leere laufen. Mit Gelächter quittiert das Publikum die Beziehungsquerelen von Monika und Maximilian – sind sie nun ein Paar, hat sich der Werbepapa wirklich in die Werbemama verliebt oder stand das nur so im Skript? Hilflos zappeln die Figuren in dieser Marketinghölle, die eine heile Welt ad absurdum überhöht. Der Regisseur, dessen Stimme aus dem Off die einzige Brücke in Richtung Realität ist, quält seine Opfer fieser als Sartre dies in seiner „Geschlossenen Gesellschaft“vormachte. So wird am Ende auch der Auftritt einer neuen Figur – Moritz (Dirk Linke) – zur verwertbaren Performance, Einfühlsamkeit zu einer vermarktbaren Empfindung und Liebe zur Regieanweisung.
„Retten, was zu retten ist“hat viele bemerkenswerte Momente, was vor allem den Darstellern geschuldet ist. Sehr effektiv als Pointen-Feuerwerk angelegt, unterhält das Stück bis zum Ende – fast. Denn mit der Figur des Moritz verschluckt sich Autor Heule an einem Zuviel von aktuellen Themen, die auf den letzten Metern des Stücks abgehandelt werden müssen: seien es nun Verschwörungshysterien oder Flüchtlingsphobien. Das wirkt überhastet und ist in der fußnotenartigen Kürze eine zweischneidige Angelegenheit. So wird aus der Annäherung, die man als Zuschauer an diese künstlichen Figuren vollzieht, wieder eine Distanz.
Das vorzüglich spielende Ensemble, allen voran Jörg Zenker und Julia Ebert, die ihren Figuren eine anrührende Schutzlosigkeit verleihen, gleicht die fehlende Tiefe mancher Szene aus. Insgesamt ist das Stück aber ein wichtiger und angenehm unangenehmer Beitrag zum Zustand der (Konsum)welt. Ein Diskussionsanstoß, den man ernst nehmen sollte.
Nächste Vorstellung morgen, Samstag, um 20 Uhr im Alten Theater. Weitere Aufführungen bis März 2018. Genaue Informationen und Karten unter jub-ulm.de oder unter Telefon 0731/382 04.