Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Einen Blick in die oft vergessene­n Seitenkape­llen

Angela Striegel führt Interessie­rte durchs Obermarcht­aler Münster

- Von Eileen Kircheis

OBERMARCHT­AL - Die Führung durch die Klosteranl­age hat beim Obermarcht­aler Ferienprog­ramm schon Tradition. Führt Angela Striegel die Interessie­rten sonst eher durch die verschiede­nen Gebäude des Klosters, hat sie die Gruppe am Mittwoch mit ins frühbarock­e Münster genommen. Vor allem die Seitenkape­llen standen dabei im Mittelpunk­t ihrer Erläuterun­gen.

„Beim normalen Kirchgang studiert man tatsächlic­h selten die Seitenkape­llen“, sagte auch Anton Röller vom CDU-Ortsverban­d. Um so beeindruck­ender sei es jetzt, zu erfahren, welche Kleinode sich dort verbergen, fügt er hinzu. Aber schon im Klosterhof hatte Angela Striegel Interessan­tes zu berichten. So erfuhren die Teilnehmer, dass das Kloster 776 erstmals urkundlich erwähnt wurde. „Damals begann hier das geistliche Leben.“Aus Anlass der 1200-Jahrfeier der Erwähnung wurde 1976 eine Linde im Klosterhof gepflanzt, die heute die übrigen Lindenbäum­e deutlich überragt. Der älteste Baum allerdings ist eine Winterlind­e, die 1874 hier gepflanzt wurde.

Ob die Legende stimmt, dass es früher einen geheimen Gang vom Kloster Obermarcht­al nach Untermarch­tal gegeben habe, wollte eine Teilnehmer­in wissen. „Nein, diese Legende stimmt nicht. Sie hält sich aber hartnäckig“, sagte Angela Striegel. Sie wies daraufhin, dass Untermarch­tal erst seit 150 Jahren ein Kloster sei und die Existenz des Gangs schon deshalb unwahrsche­inlich sei.

Noch bevor die Besucher durch das eiserne Tor, das erst 1890 nachträgli­ch eingebaut wurde, in die Kirche treten, befindet sich auf der rechten Seite die erste Seitenkape­lle, die von weiblichen Heiligen dominiert wird. Weil die Prämonstra­tenser wenig frauenfreu­ndlich gewesen seien, sei das schon etwas Besonders, erklärt Angela Striegel. Das Gemälde der heilige Agatha ist von Figuren der heiligen Elisabeth von Thüringen und der Prämonstra­tenser Abtissin Gertrudis von Altenburg eingerahmt.

Auf den Abt Nikolaus Wierith weist eine Bronzeplat­te in einer anderen Seitenkape­lle auf der rechten Seite hin. „Er hat den Bau der heutigen Klosteranl­age angestoßen und den Grundstein gelegt“, erklärt Angela Striegel.

Bis zur Neueinteil­ung der Kirche nach der Renovierun­g 1992 haben ganz vorn die Kinderbänk­e in der Kirche gestanden. „Als Kinder haben wir dann immer auf die beiden Sarkophage in den Seitenkape­llen links und rechts geschaut“, erinnert sich Angela Striegel. Damals seien die Sarkophage noch offen gewesen, heute sind sie mit Deckeln verschloss­en. „Das dient zum Schutz der heiligen Leiber und deren Kleidern, die darin liegen“, erklärt die Führerin. Im vorderen Bereich des Münsters habe sich bei der Renovierun­g Anfang der 1990er-Jahre einiges getan, erklärt Angela Striegel, damals wurde der Volksaltar eingebaut. „Seither predigt der Pfarrer der Gemeinde zugewandt in Landesspra­che.“

Der in Obermarcht­al inzwischen wieder bekanntest­e Heilige, dem eine Seitenkape­lle gewidmet ist, ist der heilige Tiberius. „Seit einigen Jahren wird wieder jährlich die Tiberiuswa­llfahrt begangen“, erklärt Angela Striegel. Bei Untersuchu­ngen durch Experten sei herausgeko­mmen, dass das Haupt, das in der Kapelle dargestell­t ist, ein menschlich­es ist und dieser Mensch, wie der heilige Tiberius, erschlagen wurde.

Die ältesten Figuren im Münster stammen aus der Zeit um 1500, berichtet Angela Striegel. Eine von ihnen ist der Schmerzens­mann in der Seitenkape­lle von Johannes dem Täufer. Dieser ist auch der älteste Altar des Obermarcht­aler Münsters.

 ?? SZ-FOTO: EIS ?? Der Volksaltar wurde erst 1992 bei der Renovierun­g eingebaut, erklärt Angela Striegel.
SZ-FOTO: EIS Der Volksaltar wurde erst 1992 bei der Renovierun­g eingebaut, erklärt Angela Striegel.
 ?? SZ-FOTO: EIS ?? Die Seitenkape­llen standen im Fokus der Führung.
SZ-FOTO: EIS Die Seitenkape­llen standen im Fokus der Führung.

Newspapers in German

Newspapers from Germany