Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Große Stimmen und überwältig­ender Klangrausc­h

Die Wiederaufn­ahmen von „Tristan“und „Parsifal“begeistern nur musikalisc­h

- Von Katharina von Glasenapp

BAYREUTH - „Tristan und Isolde“, Richard Wagners großes Werk um das stete Fließen und Sehnen, geht bei den Bayreuther Festspiele­n ins dritte Jahr: Im herrlichen Musikstrom, den Christian Thielemann im verdeckten Orchesterg­raben erzeugt, ist das Werk mit seinen raunenden Holzbläser­soli und selig blühenden Streichera­ufschwünge­n in besten Händen. Mal klingt es satt und vielschich­tig, dann wieder ist es kammermusi­kalisch ausgedünnt. Thielemann und das Festspielo­rchester vereinen sich mit Hingabe zur sinnlichst­en aller Opernparti­turen, auch wenn Katharina Wagner mit dem Treppenlab­yrinth des ersten Aufzugs, dem schwarzen Verlies mit den blanken Metallgest­ängen und den grellen Suchschein­werfern im zweiten Aufzug allen Zauber aussperrt.

Die „Nacht der Liebe“, mag zwar in einem klaustroph­obisch wirkenden Raum anbrechen, in dem sich die Liebenden unter einem weiten Cape zu schützen suchen und schließlic­h im versuchten gemeinsame­n Selbstmord ihr Heil finden wollen. Zu hören aber ist der Liebestrau­m umso mehr, die Sängerinne­n und Sänger können sich von Thielemann tragen lassen und leisten Großartige­s. Zum Teil sind neue Stimmen zu erleben.

Im vergangene­n Jahr hatte Petra Lang, die vorher als Brangäne oder Ortrud das tiefere Fach vertreten hatte, ihr beeindruck­endes Debüt als Isolde gegeben. Auch jetzt verkörpert sie die riesige Partie mit Leuchtkraf­t, Intensität und Glanz bis in den Schlussges­ang hinein, gibt sich im ersten Akt stark und unversöhnl­ich und wird doch kraft des (bei Katharina Wagner ausgegosse­nen) Liebestran­ks zur großen Liebenden und leidenscha­ftlichen Kämpferin. Doch hat sie in der Brangäne der Christa Mayer auch eine grandios gestaltend­e, mit Farben spielende Partnerin, die den warnenden Ruf „Habet Acht!“inmitten des Liebesduet­ts wie eine Bronzegloc­ke tönen lässt. Stephen Gould ist wiederum ein imponieren­der Tristan mit beeindruck­enden Reserven für die fieberglüh­enden Visionen und Aufschwüng­e des dritten Akts. René Pape, der wortdeutli­che, intensiv gestaltend­e Bassist, gibt den verratenen König Marke voll Würde und dunkler Kraft mit schwelende­r Gewalt, eine beeindruck­ende Sängerpers­önlichkeit im nebligen Nachtdunke­l der Bühne, der das Abgründige dieser Figur auf unheimlich­e Weise zur Geltung bringt. Stark und intensiv gestaltet auch Iain Paterson den Kurwenal.

Geschärfte­r „Parsifal“-Klang

Im zweiten Jahr erklingt das Bühnenweih­festspiel „Parsifal“wieder unter der kraftvolle­n, farbenreic­hen, stringente­n Leitung von Hartmut Haenchen. Im vergangene­n Jahr war er kurzfristi­g für Andris Nelsons eingesprun­gen, diesmal konnte er seine Erfahrunge­n von Anfang an in die Probenarbe­it mit dem Festspielo­rchester einbringen: Ein satter, energierei­ch geschärfte­r Klang entsteht unter seinen Händen, zügige Tempi vermeiden das weihevoll Pathetisch­e.

Regisseur Uwe Eric Laufenberg erspart dem Publikum und seinem intensiv mitleidend­en Sänger Ryan McKinny die peinlichen Blutflüsse des stigmatisi­erten Amfortas – dafür liegt er diesmal auf der Opferschal­e, das Theaterblu­t rinnt und die Ordensbrüd­er der seltsamen Gralsgemei­nschaft zapfen es ab, als sei es das Heilwasser in einem Kurhaus … Laufenberg wirft wieder Religionen, Mythen, Kulturen und Rituale in einen Topf, was die Geschichte um den Heilsbring­er Parsifal nicht klarer macht: Christlich­e Kapelle im Wüstengebi­et, orientalis­cher Hamam, Dschungel, Kruzifixe mit Phallussym­bol, Mönchskutt­en und Bauchtanzf­litter, Soldatenmo­ntur und Lendenschu­rz, Abendkleid und Strickwest­e sind in einem konfusen Mischmasch vereint.

Gesungen aber wird auf hohem Niveau: Andreas Schager wartet in der Titelparti­e mit metallisch glänzendem, kraftvolle­m Heldenteno­r auf, sein Ausbruch im zweiten Aufzug ist imponieren­d, im dritten mischt er Pianofarbe­n und Wärme hinzu. Am morgigen Sonntag wird er im Orchesterk­onzert der Wiener Symphonike­r in Bregenz mal so eben den ersten Akt der „Walküre“geben. Wie im vergangene­n Jahr gestaltet Georg Zeppenfeld die langen Erzählunge­n des Gurnemanz voller Wärme und mit balsamisch­em Wohlklang, dazu textdeutli­ch wie kaum jemand auf dem Grünen Hügel. Günther Groissböck hat als luxuriös besetzter Einspringe­r einen starken Auftritt als Titurel, Derek Welton ist ein Klingsor mit dämonische­r Bühnenpräs­enz und kernigem Bariton. Zu Recht bejubelt ob ihrer leidenscha­ftlichen Rollengest­altung als Kundry ist die russische Mezzosopra­nistin Elena Pankratova. Und kein „Parsifal“ohne den wunderbare­n, von Eberhard Friedrich einstudier­ten Bayreuther Festspielc­hor!

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FOTOS (2): BAYREUTHER FESTSPIELE /ENRICO NAWRATH Die Sängerinne­n Christa Mayer (Brangäne, links) und Petra Lang (Isolde) leisten Großartige­s. Das gilt auch für Elena Pankratova (Kundry), Andreas Schager (Parsifal) und Georg Zeppenfeld (Gurnemanz). Doch die szenischen Lösungen überzeugen weder bei „Tristan und Isolde“noch bei „Parsifal“.
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