Schwäbische Zeitung (Ehingen)

„Ich war sicher, dass ich gewinnen werde“

Wimbledons­ieger Michael Stich über seinen Triumph vor 25 Jahren

- Ein Tag wie kein anderer: Michael Stich gewinnt in Wimbledon.

LONDON (SID) - Vor 25 Jahren war Wimbledon fest in deutscher Hand. Michael Stich erinnert sich im Interview an den 7. Juli 1991, an dem er Boris Becker in dessen „Wohnzimmer“bezwang. Der Lange aus Elmshorn blickt auf die Rivalität mit dem „emotionale­n Helden“der Deutschen zurück und verrät, was er an der Church Road heute gerne beweisen würde.

Wie halten Sie es mit Jubiläen?

Grundsätzl­ich bin ich niemand, der in der Vergangenh­eit lebt. Dieses Datum, dieses Jubiläum ist natürlich toll, ich denke daran gerne zurück, aber ich muss es nicht jedes Mal groß feiern. Ich muss das Vergangene nicht immer wieder rausholen und hochhalten, obwohl ich den 7. Juli 1991 nicht missen möchte.

Feiern Sie am 7. Juli 2016?

Ich habe das 20. Jubiläum gefeiert, ich glaube, ich feiere erst wieder nach 30 Jahren. Wenn man die Schritte dazwischen zu klein werden lässt, verliert der Tag seine Besonderhe­it. Vor fünf Jahren habe ich in London ein Essen veranstalt­et mit den Menschen, die damals dabei waren. Dazu ist mein Coach extra aus Neuseeland eingefloge­n, mein Manager aus den USA, und Teile meiner Familie waren da. Wir waren mit 15 Leuten essen.

Wie präsent ist Ihnen das Finale gegen Boris Becker? Wie oft schauen Sie sich die Ballwechse­l an?

Ganz selten. Ab und an – vielleicht einmal im Jahr, wenn ich sentimenta­l an die alten Tennistage zurückdenk­e, stolpere ich mal bei Youtube über Ausschnitt­e und bleibe dann kurz hängen.

Welche persönlich­en Erinnerung­en haben Sie an den Sieg?

Die Gefühle kann man nach 25 Jahren nicht mehr hervorrufe­n, die sind im Augenblick geblieben. Ich weiß auch Gott sei Dank nicht mehr, wie ich mich gefühlt habe, als ich mein Abitur bestanden habe.

Die Anspannung vor Ihrem ersten Grand-Slam-Finale haben Sie bestimmt nicht vergessen ...

Ich weiß nur, dass ich vor jedem Match die gleiche Routine hatte. Wir haben immer auf einem Kleinfeld Tennis gespielt, immer auf dem gleichen Platz. Da bin ich abergläubi­sch. Ich habe auch versucht, immer das Gleiche zu essen und immer ins gleiche Restaurant zu gehen. In der Nacht vor dem Finale war es mehr Vorfreude als Nervosität.

Und unmittelba­r vor dem ersten Aufschlag?

Du bist in der Kabine, da sind am Anfang des Turniers 200 Menschen. Vor dem Finale waren da noch genau vier Leute: Ich selbst mit meinem Trainer Mark Lewis und Boris mit seinem Trainer Tomas Smid. Da ist so eine Kabine schon groß: der eine in der einen, der andere in der anderen Ecke. Es war eine besondere Atmosphäre, besonders, weil ich wusste: Ich bin hier der Letzte, da kommt nichts mehr.

Wie sind Sie mit ihrer Rolle als Außenseite­r umgegangen? Becker war ja in den Augen der meisten Fans Favorit.

Die meisten Fans wollten, dass er gewinnt, weil er zu dieser Zeit der emotionale Hero war. Zu Recht, bei all dem, was er vorher erreicht hatte. Es gab nur einige in meinem Heimatvere­in und in meiner Heimatstad­t, die das nicht wollten. Aber für mich war er nicht der Favorit, weil ich die Matches vorher sehr stark gespielt hatte. Ich war mir eigentlich sicher, dass ich gewinnen werde.

Ab wann wussten Sie, dass Sie Becker schlagen würden?

Das Match lief ja nicht von Anfang an rund, er hat mich gebreakt, dann ha- be ich zurückgebr­eakt. Nach dem Tiebreak im zweiten Satz war ich immer näher dran, ihn zu breaken. Ich war sozusagen immer diesen einen Schritt vor ihm, daher hatte ich schon früh ein gutes Gefühl.

Kam nicht einmal vor dem Matchball besondere Nervosität auf?

Nein. Ich habe versucht zu antizipier­en, wohin er aufschlägt, und da der Vorhandret­urn nicht gerade eine meiner Stärken war, war ich mir sicher, dass er auf die Vorhand aufschlage­n wird. Das hatte ich richtig gelesen, und dann fiel der Ball halt da hinten rein. Da denkt man nicht mehr großartig nach. Ich habe nicht einmal gehört, dass der Schiedsric­hter ,Game-Set-Match Becker’ sagte.

Die Rivalität zu Becker: War es an diesem Tag der Ursprung und Gipfel zugleich?

Es war ja immer eine sportliche Rivalität. Das ist ja ganz klar, wenn zwei Spieler aus einem Land im gleichen Sport extrem erfolgreic­h sind, da kann es nur darum gehen, besser zu sein als der andere. Bei uns kam dazu, dass die Medien versucht haben, uns gegeneinan­der aufzuhetze­n. Das haben wir mit uns machen lassen – aus einem Maß an Unerfahren­heit, auch durch unsere Egos. Ich glaube, heute können wir mit Abstand darüber besonnener nachdenken und auch darüber lächeln.

Letztlich wird im kollektive­n deutschen Gedächtnis Ihr Sieg immer auch mit Beckers Niederlage verbunden bleiben. Wäre es Ihnen lieber, wenn der Finalgegne­r Edberg oder Courier geheißen hätte?

Das ist mir schon immer völlig wurscht gewesen. Gegen den Papst oder gegen Diana ... Da ging es nur um den Wimbledont­itel. Gegen wen man ihn gewinnt, ist völlig irrelevant. Deswegen war es für mich auch nicht bedeutend, Boris geschlagen zu haben.

Wie haben Sie ihren Triumph gefeiert?

Abends kam das Champions Dinner, das geht lange, da war ich schon müde. Die Pressearbe­it, die ganzen Eindrücke und dann habe ich ja auch noch Sport getrieben, was auch auslaugt. Irgendwann bin ich einfach nur ins Bett gefallen und habe mir gedacht: Jetzt ist auch gut.

Wann wurde Ihnen die historisch­e Tragweite Ihres Sieges im deutschen Wimbledonf­inale erstmals bewusst?

Nachdem ich 1997 aufgehört habe. Als Profi habe ich diese Tragweite nicht begriffen. Der Medienrumm­el und alles, was damit einhergeht, ist Teil des Jobs. Aber wenn man aufhört, wird man sich der historisch­en Bedeutung Wimbledons bewusst und was es bedeutet, Teil dieser Geschichte zu sein. Dafür muss man älter werden und Abstand haben.

Sie sind nicht nur Teil der Geschichte, sondern durch Ihren Sieg auch Mitglied im All England Club. Wie oft besuchen Sie noch die Anlage?

Ich fahre jedes Jahr während des Turniers hin. Meistens gleich am ersten Tag. Der Club ist toll, er lebt die Traditione­n fantastisc­h und holt die Spieler auch ab. Ich fahre da jedes Jahr gerne hin, meistens mit meinem Bruder, wir verbringen dann einen Tag in London und einen in Wimbledon. Jedes Jahr darf ich auf den Rasen und ihn einmal streicheln. AMSTERDAM (SID/sz) - Die starken deutschen Werferinne­n haben am ersten Tag der Leichtathl­etik-EM in Amsterdam Hoffnungen auf Medaillen gemacht, auch Speerwurf-Favorit Thomas Röhler und Kugelstoß-Titelverte­idigerin Christina Schwanitz gaben sich keine Blöße. Weniger Spaß hatte Doping-Kronzeugin Julia Stepanowa. Eineinhalb Jahre nachdem die Russin das Dopingsyst­em in ihrem Heimatland mit aufgedeckt hatte, gab sie ihr Comeback auf der großen Bühne – und verletzte sich.

Mit Startnumme­r 2117 trat die in die USA geflüchtet­e 30-Jährige am Mittwochab­end um kurz nach halb sieben zum 800-Meter-Vorlauf an, musste aber nach 600 Metern abbrechen. Alleine ihr Start war ein Zeichen. Im Gegensatz zu ihren derzeit suspendier­ten Landsleute­n durfte sie in Amsterdam antreten – allerdings unter Flagge des europäisch­en Leichtathl­etik-Verbandes EAA. „Ich hatte eine Entzündung, mich aber trotzdem zur Teilnahme an der EM entschiede­n“, sagte Stepanowa.

Die deutschen Mitfavorit­en wollen mehr, Kapitänin Betty Heidler gab im Hammerwurf den Startschus­s. Die 32 Jahre alte Olympia-Dritte zog ebenso souverän ins Finale ein wie die Diskus-Asse Julia Fischer und Nadine Müller. Auch 90-Meter-Werfer Röhler (83,98) und Kugelstoß-Titelverte­idigerin Schwanitz (19,02) schafften die Qualifikat­ion problemlos im ersten Versuch. „Das war eine super Probe für das Finale“, sagte Röhler, der heute (18.35 Uhr) um Gold kämpft. Schwanitz ist schon vorher (17.05) dran.

Die Kapitänin geht voran

„Als Kapitänin kann man sich keine Blöße geben“, sagte Heidler nach ihren 71,46 Metern im ersten Versuch der Qualifikat­ion: „Wenn ich meine Leistung abrufe, ist eine Medaille drin.“Ohne Wackler schafften es auch Fischer (66,20), Müller (64,75) und Shanice Craft (64,59) ins Finale (Freitag, 20.15 Uhr). Allerdings bekommen es die deutschen Frauen mit starker Konkurrenz zu tun. Im Hammerwerf­en ist Weltrekord­lerin Anita Wlodarczyk (Polen) die Top-Favoritin, mit dem Diskus scheint die Kroatin Sandra Perkovic auf Gold abonniert.

Ebenfalls stark präsentier­te sich EM-Debütantin Gina Lückenkemp­er. Die deutsche Meisterin stürmte als Drittschne­llste ins Finale über 200 Meter und weckte damit ebenfalls Hoffnungen auf eine heutige Medaille (19.10 Uhr). „Ich denke, ich kann mit den Besten hier mithalten“, sagte sie.

Einen bitteren EM-Start erlebte hingegen Hammerwerf­erin Kathrin Klaas. Die Frankfurte­rin kam angeschlag­en nicht über 64,39 hinaus und blieb damit deutlich unter ihrer Saisonbest­leistung (71,78). Ebenfalls das Finale verpasste Speerwerfe­r Johannes Vetter (Offenburg), derzeit mit einer Saisonbest­leistung von 88,23 Meter Zweiter der Welt.

Das deutsche Zehnkampf-Trio um den Ulmer Mathias Brugger muss sich nach einem durchwachs­enen ersten Tag für die Medaillen deutlich strecken. Der Hallen-WM-Dritte Brugger liegt zur Halbzeit mit 4054 Punkten auf Rang neun und hat 180 Zähler Rückstand auf den Führenden Alexej Kasjanow aus der Ukraine (4234). Sein Klubkolleg­e Tim Nowak (3942) belegt Rang 16, der Schorndorf­er Rene Stauß (3882) Rang 19. Der erste Titel der EM ging an die Türkin Yasemin Can über 10 000 Meter.

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FOTO: DPA
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FOTO: DPA Erste Europameis­terin: Die Türkin Yasemin Can war Schnellste über 10 000 Meter.
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FOTO: DPA Michael Stich am Dienstag auf der Tribüne des Centre Court.

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