Man spricht schwäbisch
Der neue VfB-Trainer Alexander Zorniger verbiegt sich nicht und hat klare Vorstellungen
STUTTGART - Es gibt gute Nachrichten für die Freunde des VfB Stuttgart. Schwabens (kürzlich schiergar abgestiegener) Fußballstolz wird in der nächsten Saison nicht ohne Mittelfeld antreten, die von allerlei Rivalen umgarnten Spielmacher Didavi und Maxim sollen bleiben. Im Tor ist der Bundesliga-14. sogar noch zahlreicher bestückt, nachdem der Wechsel von Mitch Langerak bestätigt wurde – der Dortmunder soll sich mit Przemyslaw Tyton und Junior Odisseas Vlachodimos einen Dreikampf liefern. Die beste Nachricht ist eine für die Traditionalisten unter den Klubanhängern: Beim VfB wird künftig gschwätzt, wie oim’s Maul gwachsa isch: schwäbisch nämlich, ond zwar von oberschter Schtelle gutiert.
„Net weil’s meine Heimat isch oder ich schneller bei dr Mutter bin, sondern weil i oifach a Chance hab“– deshalb freut sich der neue Trainer Alexander Zorniger (47), der am Montag öffentlich präsentiert wurde und abends den Trainingsauftakt leitete, auf seine erste Station in der Bundesliga. Die Tatsache, dass er wenig Bereitschaft zeigt, hochdeutsch zu fabulieren – bei RB Leipzig, den er von der 4. in die 2. Liga führte, redete er ebenfalls im leichten Dialekt – ist schon ein Hinweis, dass dieser Mann tatsächlich keine Lust hat, sich zu verbiegen, wie er schon häufiger sagte. Von der Zeit 2009, als er unter Markus Babbel CoTrainer beim VfB war, kenne er nur noch Georg Niedermeier, sagte Zorniger: „Alle anderen werden mich kennenlernen.“Allerdings sei das keine Drohung, sondern eine Hoffnung.
Das Credo heißt doppelt absichern
Kennenlernen werden sie einen, der exakte taktische Vorstellungen hat. „Wir haben die Mannschaft mit der höchsten Durchschnittsgeschwindigkeit in der Bundesliga, wir haben unglaublich gute Laufwerte, aber auch schwache Zweikampfwerte. Das müssen wir dadurch kompensieren, dass wir jede Position absichern. Jeder Spieler muss wissen, wo er zu welcher Zeit steht“, sagte Zorniger. „Das hat nix mit Fußballtheorie zu tun, das ist praktische Anwendung von Wissen.“Ähnlich wie Dortmund früher, so will der VfB künftig spielen, mit extremem Pressing und überfallartigen Angriffen – und definitiv zwei Stürmern. „Wir werden mit Geschwindigkeit arbeiten, auf dem Platz wird es wild werden und zur Sache gehen. Wir werden mit einem 4-4-2 sowie einem 4-3-1-2 zwei Spielsysteme einstudieren und zentrumsorientiert agieren“, kündigte der Trainer an. Es hörte sich an, als ob er seine Mannschaft schon in- und auswendig kennt. Und es hörte sich nach Ralf Rangnick an, Zornigers Mentor. Nur ohne Brille und nicht ganz so pädagogisch, dafür mit Vollbart und auf Schwäbisch.
Ob die Spieler Zornigers Visionen umsetzen können – sprich ob er den geeigneten Kader hat –, ist sechs Wochen vor dem Saisonstart zu Hause gegen Köln längst nicht sicher. Im Tor setzt Zorniger offenbar auf Langerak – der 26-jährige Australier bekam auch das Trikot mit der Nummer 1. „Das ist ein richtig, richtig guter Keeper“, sagte der gebürtige Mutlanger, „ich hab von ihm nur ein schlechtes Spiel gesehen, das war das im Pokalfinale.“In der Abwehr steht und fällt wohl vieles mit dem Verbleib von Antonio Rüdiger und der Frage, wie viele Millionen der Jung-Nationalspieler einbringen könnte. „Wir haben keinen Verkaufs- druck, bei niemandem. Es gibt keine Schnäppchen bei uns, wir werden auch mal Spieler behalten, auch wenn der Vertrag im nächsten Jahr ausläuft“, baute Sportdirektor Robin Dutt vor. Letzteres war wohl auf Daniel Didavi gemünzt, um den Leverkusen buhlt und der kürzlich erklärte, er habe keine Lust, weiter gegen den Abstieg zu spielen. Zorniger jedoch kündigte an, dass man „keinen Spieler gegen seinen Willen an den Baum binden“werde. Wer glaube, unglücklich zu werden, solle gehen.
Das Saisonziel des VfB ist übrigens, „dass wir nichts mit dem Abstieg zu tun haben“, sagte der Trainer. Klar, sonst hätte der Klub ja gleich Vorgänger Huub Stevens behalten können, den Spezialisten für solche Fälle. Den Niederländer, der den Klub kürzlich ausdrücklich davor warnte, weiter Qualität abzugeben, hat Alexander Zorniger übrigens kürzlich besucht in Eindhoven. Da zumindest zeigte er sich weniger kreativ als an der Taktiktafel. Er habe Frau Stevens etwas mitgebracht, sagte Zorniger. „Blumen – auch wenn ich weiß, dass das in Holland nicht das Alleroriginellste ist.“