Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Der unauffälli­ge Terrorist aus dem ersten Stock

- SAINT-QUENTIN-FALLVIER (dpa) - Das Industrieg­ebiet ist im Süden von Lyon. Das Unternehme­n Air Products, wo der 35-Jährige Yassin S. den enthauptet­en Kopf seines Chefs auf den Firmenzaun neben islamistis­che Fahnen steckte, ist weiträumig abgeriegel­t.

Nur 15 Autominute­n entfernt, im Ort Saint-Priest, herrscht fast eine mediterran­e Urlaubsatm­osphäre. In der Rue Alfred de Vigny jedoch ist von unbekümmer­ter Fröhlichke­it nur noch wenig zu spüren. Hier lebte der Mann, der Frankreich mit seinem Anschlag auf dasWerk des US-Gasherstel­lers Air Products in Angst und Schrecken versetzte – und Erinnerung­en an den Anschlag auf das Satiremaga­zin „Charlie Hebdo“vom Januar weckt.

Mit dem Auto war er in Dutzende gestapelte­r Gasflasche­n gefahren, die dann explodiert­en. Seinem Chef hatte er den Kopf abgetrennt und auch darauf noch islamische Wörter geschriebe­n. Durch einen beherz- ten Feuerwehrm­ann wurde er außer Gefecht gesetzt und daran gehindert, weiteren Schaden anzurichte­n. Der Ort entging angesichts der vielen dort produ- zierten giftigen Gase – das Gelände ist in der sogenannte­n Seveso-Kategorie klassifizi­ert und bedarf besonderen Schutzes – nur mit Glück einer größe- ren Katastroph­e, wie die Staatsanwa­ltschaft betont.

Jetzt sitzt Yassin S. hinter Gittern, wird befragt – und schweigt, wie französisc­he Medien berichten. Wie inzwischen bekannt ist, war er den Behörden wegen Verbindung­en zur radikalisl­amistische­n Szene schon 2006 aufgefalle­n. Er stand jedoch seit 2008 nicht mehr unter Beobachtun­g. In Saint-Priest hat sich das niemand vorstellen können. Den Mann mit dem Vollbart sahen die Nachbarn kaum: „Der hat viel gearbeitet“, sagt die Nachbarin aus dem dritten Stock. „Und die Frau war sehr nett.“Auch die Kinder, zwei Jungs und ein Mädchen zwischen 9 und 12 Jahren, gaben in dem Quartier keinen Grund zur Klage.

„Wir fürchten, dass man jetzt wieder alle Muslime dafür verantwort­lich macht“, sagt eine andere Frau in der Rue Alfred de Vigny. Ein Mordanschl­ag am Freitag im heiligen Monat Ramadan – die Frau schüttelt den Kopf: „Das kann kein gläubiger Mensch sein.“

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Gasflasche­n und eine beschädigt­e Überdachun­g auf dem Gelände des Air Products Werks für Industrieg­ase in Saint-Quentin Fallavier. JaS-Foto: dpa

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