Der unauffällige Terrorist aus dem ersten Stock
Nur 15 Autominuten entfernt, im Ort Saint-Priest, herrscht fast eine mediterrane Urlaubsatmosphäre. In der Rue Alfred de Vigny jedoch ist von unbekümmerter Fröhlichkeit nur noch wenig zu spüren. Hier lebte der Mann, der Frankreich mit seinem Anschlag auf dasWerk des US-Gasherstellers Air Products in Angst und Schrecken versetzte – und Erinnerungen an den Anschlag auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“vom Januar weckt.
Mit dem Auto war er in Dutzende gestapelter Gasflaschen gefahren, die dann explodierten. Seinem Chef hatte er den Kopf abgetrennt und auch darauf noch islamische Wörter geschrieben. Durch einen beherz- ten Feuerwehrmann wurde er außer Gefecht gesetzt und daran gehindert, weiteren Schaden anzurichten. Der Ort entging angesichts der vielen dort produ- zierten giftigen Gase – das Gelände ist in der sogenannten Seveso-Kategorie klassifiziert und bedarf besonderen Schutzes – nur mit Glück einer größe- ren Katastrophe, wie die Staatsanwaltschaft betont.
Jetzt sitzt Yassin S. hinter Gittern, wird befragt – und schweigt, wie französische Medien berichten. Wie inzwischen bekannt ist, war er den Behörden wegen Verbindungen zur radikalislamistischen Szene schon 2006 aufgefallen. Er stand jedoch seit 2008 nicht mehr unter Beobachtung. In Saint-Priest hat sich das niemand vorstellen können. Den Mann mit dem Vollbart sahen die Nachbarn kaum: „Der hat viel gearbeitet“, sagt die Nachbarin aus dem dritten Stock. „Und die Frau war sehr nett.“Auch die Kinder, zwei Jungs und ein Mädchen zwischen 9 und 12 Jahren, gaben in dem Quartier keinen Grund zur Klage.
„Wir fürchten, dass man jetzt wieder alle Muslime dafür verantwortlich macht“, sagt eine andere Frau in der Rue Alfred de Vigny. Ein Mordanschlag am Freitag im heiligen Monat Ramadan – die Frau schüttelt den Kopf: „Das kann kein gläubiger Mensch sein.“