Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Afghanisch­er Flüchtling kämpft um sein Bleiberech­t

Gericht stellt Strafverfa­hren ein - Übertritt zum Christentu­m hat auch Folgen für das Asylverfah­ren

-

NEU-ULM (sz) - Der Glaube kann Berge versetzen, heißt es. Inwieweit diese Redewendun­g auch für laufende Asylverfah­ren gilt, ist fraglich. Das zeigte jetzt ein Prozess vor dem Neu-Ulmer Amtsgerich­t, der sich mit den Folgen genau dieser Frage zu beschäftig­en hatte. Denn dort saß ein junger Afghane auf der Anklageban­k, der vom Islam zum Christentu­m konvertier­t ist und sich nun Hoffnungen auf ein dauerhafte­s Bleiberech­t in Deutschlan­d macht.

Darüber hatte Richter Thomas Mayer freilich nicht zu befinden, dafür zuständig ist das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e. Dennoch zeigte der Fall auf, welche Schwierigk­eiten der nicht abreißende Zustrom von Flüchtling­en aus aller Welt auch der Justiz bereiten kann.

In diesem Fall musste sich der junge Afghane vor Gericht verantwort­en, weil er nicht im Besitz eines gültigen Ausweises war. Schon einmal bekam er für dieses Vergehen eine Geldstrafe aufgebrumm­t. Nun wurde er erneut erwischt, diesmal landete er auf der Anklageban­k. Der Vorwurf: unerlaubte­r Aufenthalt ohne Pass. Denn der 30-Jährige war vor dreieinhal­b Jahren nach Deutschlan­d gekommen – ohne Pass und Papiere, wie so viele Flüchtling­e. So lange sein Asylverfah­ren bei den deutschen Behörden lief, war das strafrecht­lich auch kein Problem. Das wurde es erst, als das Bundesamt seinen Antrag auf Asyl ablehnte.

Denn nun war der gelernte Schneider plötzlich amtlich gezwungen, die entspreche­nden Papiere aus seinem Heimatland zu besorgen. Dagegen sträubte er sich jedoch offenbar – wohl wissend, dass eine Abschiebun­g aus Deutschlan­d ohne amtliche Dokumente nicht ohne Weiteres möglich ist. Der Gerichtste­rmin war nun die Konsequenz. Dort erklärte die Verteidige­rin des Mannes, dass es ihrem Mandanten nicht zumutbar sei, nach Afghanista­n zu reisen oder in die Botschaft zu gehen, um sich dort seine Geburtskur­kunde zu beschaffen.

Im Juni sei er zum Christentu­m konvertier­t und habe sich ein Kreuz auf den Oberarm tätowieren lassen. Wenn die Behörden in der islamische­n Republik Afghanista­n dies erführen, müsse nicht nur der 30-Jährige selbst um seine Gesundheit bangen, sondern auch seiner Familie in Afghanista­n drohten Repressali­en.

Zudem habe ihr Mandant bereits im Februar einen zweiten Antrag auf Asyl gestellt. Dieses Verfahren laufe noch. Daher beantragte die Anwältin eine Einstellun­g des Verfahrens wegen des fehlenden Passes oder zumindest eine Aussetzung. Richter Mayer und die Staatsanwä­ltin ließen sich darauf ein, das Verfahren einzustell­en. Die Frage, wie sich der Religionsw­echsel auf das weitere Asylverfah­ren des 30-Jährigen auswirkt, muss nun das Bundesamt für Flüchtling­e entscheide­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany