Schwäbische Zeitung (Biberach)
Sorge vor IS-Anschlägen in Kabul
Lage in Afghanistan bleibt kritisch – Todesopfer am Flughafen – Bundeswehr evakuiert weiter
KABUL/BERLIN (dpa/AFP/epd) Trotz Zeichen der Entspannung am Flughafen der afghanischen Hauptstadt Kabul harren dort weiterhin Tausende verzweifelte Menschen bei großer Hitze und teils chaotischem Gedränge aus. Sieben Zivilisten kamen in dem Tumult ums Leben, wie das britische Verteidigungsministerium mitteilte. Berichten zufolge gingen auch mehrere Kinder verloren. Zugleich warnte die USRegierung vor der Gefahr von Terroranschlägen am Airport.
Die Gefahr eines Anschlags der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) am Flughafen Kabul oder in der Umgebung sei „real, akut und anhaltend“, sagte der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, am Sonntag im Sender CNN. Entsprechende Warnungen nehme man „absolut todernst“. Die militant-islamistischen Taliban und der regional aktive Zweig des IS sind verfeindet.
Vor einer Woche hatten die militant-islamistischen Taliban Kabul erobert und die Macht übernommen. Seitdem fürchten Oppositionelle, Journalisten, Menschenrechtsaktivisten und auch Ortskräfte, die für westliche Staaten tätig waren, Racheaktionen. Die USA und ihre Verbündeten versuchen derzeit, so viele ihrer Staatsbürger sowie afghanische Ortskräfte wie möglich aus dem Land auszufliegen. Viele schaffen es jedoch derzeit gar nicht, den Flughafen zu erreichen. Manche werden an Checkpoints der Taliban zurückgewiesen. Ein großes Hindernis stellte dann das Gedränge vor den Toren des Flughafens dar.
Die G7-Staaten wollen am Dienstag auf einem Sondergipfel ihr Vorgehen in Afghanistan abstimmen, unter anderem bei den Evakuierungen.
Für weitere Rettungsflüge bleibt absehbar nur noch eine gute Woche Zeit. Die USA wollen eigentlich zum 31. August den Abzug ihrer Truppen abschließen. Eine Fortführung des Evakuierungseinsatzes ohne die USA gilt als ausgeschlossen. Die britische Regierung, aber auch deutsche Politiker, setzten sich am Sonntag für eine Verlängerung der Rettungsmission ein.
Die Bundeswehr, die bisher mehr als 2500 Menschen aus Kabul evakuierte, sprach am Sonntag von einer
„relativ entspannten“Situation am Flughafen nach den „dramatischen“Zuständen vom Samstag. Das Verteidigungsministerium in Berlin bekräftigte am Sonntag: „Wir evakuieren so lange es geht, so viele wie möglich.“Die Lage in Kabul sei allerdings „sehr schwierig“. Die Bundeswehr fliegt nun auch Hilfsgüter vor allem für Kinder in die afghanische Hauptstadt.
Wegen der massiv gestiegenen Zahl an Binnenflüchtlingen droht sich die humanitäre Lage in dem vom
Krieg gebeutelten Land deutlich zu verschärfen. Zwischen Jahresbeginn und Anfang August sind nach Angaben der UN mehr als 550 000 Menschen in dem Krisenland wegen Gefechten aus ihren Städten und Dörfern geflohen. Die EU-Kommission hat alle EU-Länder aufgerufen, über das UN-Flüchtlingshilfswerk mehr Menschen aus Afghanistan aufzunehmen. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen stellte finanzielle Hilfe für EU-Mitglieder in Aussicht, die Flüchtlinge aufnehmen. SEITEN 3, 5
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