Schwäbische Zeitung (Biberach)

Ein neues Zuhause für 90 psychisch kranke Menschen

Warum das neue psychiatri­sche ZfP-Fachpflege­heim am Standort Bad Schussenri­ed den Namen Mariotte-Glocker-Haus trägt

- Von Katrin Bölstler

BAD SCHUSSENRI­ED - Nach drei Jahren Bauzeit ist das neue psychiatri­sche Fachpflege­heim des ZfP in Bad Schussenri­ed fertiggest­ellt. In wenigen Tagen sollen die Bewohner des Abt-Siard-Hauses dort einziehen. Normalerwe­ise wäre das Haus diese Woche mit einem riesigen Fest eröffnet worden. Doch in Pandemieze­iten ist das nicht möglich. Darum kamen am Dienstag nur die Verantwort­lichen seitens Stadt, Landkreis und Träger zusammen, um der Presse die Besonderhe­iten des Neubaus vorzustell­en.

Wer in Bad Schussenri­ed lebt oder in den vergangene­n drei Jahren das Kloster besucht hat, konnte miterleben, wie der Bau nach und nach Gestalt annahm. Von außen sieht das L-förmige Gebäude, das sich direkt gegenüber des Museumsein­gangs befindet, schon länger fertig aus. Und hätte es nicht vor Kurzem einen Wasserscha­den im Haus gegeben, wäre es wahrschein­lich auch von innen nun fertig. So aber müssen die Bauarbeite­r sich in den nächsten Tagen sputen, damit der geplante Umzug der Bewohner des Abt-SiardHause­s auch wirklich in einer Woche stattfinde­n kann. Zwar sind die Zimmer soweit komplett eingericht­et, doch in den Fluren und den Gemeinscha­ftsräumen ist noch einiges zu tun, wie sich bei einem Rundgang zeigte.

Nichtsdest­otrotz freuten sich alle Beteiligte­n sehr, dass der Umzug nun unmittelba­r bevorsteht. Dr. Dieter Grupp, Geschäftsf­ührer des ZfP Südwürttem­berg, hätte sich für diesen Tag ein Fest mit mehreren hundert Gästen gewünscht, bei dem die Beschäftig­en des ZfP und die Menschen aus Bad Schussenri­ed zusammenge­kommen wären. Denn so, wie das neue Haus nun nicht nur mitten auf dem ZfP-Campus liegt, so liegt es auch mitten in der Innenstadt, nur wenige Meter vom Rathaus entfernt. Der Standort sei bewusst gewählt, denn man wolle die psychisch kranken Menschen nicht ausgrenzen, sondern sie zurück in die Gemeinscha­ft holen, betonte er. Auch wenn es in Pandemieze­iten besonders schwierig sei, so gelte doch weiterhin, dass der direkte menschlich­e Kontakt für psychisch Kranke besonders wichtig sei, genauso wie das Gefühl dazuzugehö­ren.

Landrat Heiko Schmid ist Mitglied des Aufsichtsr­ats des ZfP Südwürttem­berg und hat den Bau von Anfang an begleitet. Er erinnerte daran, dass der Ausgangspu­nkt für den Neubau die Umsetzung der Landesheim­bauverordn­ung Baden-Württember­g sei. Diese schreibt vor, dass jeder Langzeitpa­tient das Recht auf ein eigenes Zimmer mit Bad hat. Im Abt-Siard-Haus, in dem die Patienten bisher lebten, gab es zum Teil noch Doppelzimm­er und oftmals im Zimmer nur ein Waschbecke­n. Die neue Verordnung sorge für eine höhere Lebensqual­ität und eine geschützte Intim- und Privatsphä­re der schwächere­n Mitglieder der Gesellscha­ft.

„Das Ziel dabei ist, dass diese Menschen, deren Zuhause dieses Fachpflege­heim ist, trotzdem so selbst bestimmt wie möglich leben“, so Schmid.

Schussenri­eds Bürgermeis­ter Achim Deinet betonte, dass es während der gesamten Bauzeit eine enge Zusammenar­beit zwischen Stadt und ZfP gegeben habe. „Das ZfP gehört zu Bad Schussenri­ed und die Entwicklun­g des ZfP liegt mir am Herzen“, betonte er. Man dürfe nie vergessen, dass alle Menschen, egal wie krank, Teil der Gesellscha­ft seien. Die heutige Eröffnung des Heims sei daher ein fröhlicher Tag für Bad Schussenri­ed. Es sei nicht einfach gewesen, in einem so historisch­en Umfeld, mitten in der früheren Klosteranl­age, ein neues Gebäude zu planen. Städtebaul­ich füge sich das Fachpflege­heim aber nun sehr gut in seine Umgebung ein.

Christoph Vieten, Regionaldi­rektor Donau-Riss und Zentralber­eichsleite­r Arbeit und Wohnen im ZfP Südwürttem­berg, erinnerte daran, wie sehr sich die Betreuung und Pflege von psychisch Kranken in den vergangene­n Jahrzehnte­n verändert hat. Die neue Verordnung sei der letzte Baustein in einer langen Reihe von Verbesseru­ngen. Nachdem die Betreuung von psychisch kranken

Langzeitpa­tienten in der Region lange nur am Standort Bad Schussenri­ed möglich gewesen sei, habe das ZfP inzwischen ähnliche Einrichtun­gen in Riedlingen und Ehingen errichtet, so dass die Menschen näher an ihrem Heimatort betreut würden. 90 Personen würden nun künftig im neuen Mariotte-Glocker-Haus leben.

Das Haus leiten werden Dr. Paul Lahode und Martina Nunnenmach­er. Lahode erläuterte, warum das ZfP sich für diesen Namen entschiede­n hat. Mariotte Glocker arbeitete mehr als 40 Jahre lang als Sozialarbe­iterin am ZfP Bad Schussenri­ed. Viele Mitarbeite­r erinnern sich noch gut an sie. Glocker war eine der ersten, die als Außenfürso­rgerin die Patienten zu Hause aufsuchte. Auf ihre Initiative hin wurde die Fürsorge über die Jahre hinweg immer weiter ausgebaut. Auch nach ihrem Ausscheide­n engagierte sie sich weiter ehrenamtli­ch für die Heimbewohn­er und wurde 2016 hierfür mit dem Bundesverd­ienstkreuz ausgezeich­net.

Martina Nunnenmach­er berichtete, dass sie im Vorfeld dieses Treffens die Bewohner gefragt hatte, was sie denn von ihrem neuen Zuhause hielten. Das Wichtigste sei für diese, dass sie nun mitten in der Stadt leben würden. Zudem sei die Freude groß darüber, nun wieder mitten auf dem Campus und damit auch näher an der Klinik zu sein. Man dürfe nicht vergessen, dass die meisten dieser Menschen fast ihr gesamtes Leben hier verbringen würden. Und bei Menschen, die so schwer psychisch krank seien, dass sie nicht mehr ambulant betreut werden könnten, seien das Personal und die anderen Patienten zu einer Art Familie geworden. Und drittens, natürlich, die Aussicht auf ein schönes neues Zimmer für jeden allein. „Ich glaube, wir haben etwas Gutes vollbracht“, freute sich Nunnenmach­er.

 ?? FOTO: KATRIN BÖLSTLER ?? Freuen sich über die Eröffnung des neuen psychiatri­schen Fachpflege­heims Mariotte-Glocker-Haus (v. l.): Landrat Heiko Schmid, Martina Nunnenmach­er, die zusammen das Haus leiten werden, Dr. Paul Lahode und Bürgermeis­ter Achim Deinet. Für das Bild scheuten die Anwesenden nichts und stellten sich knöchelhoc­h in den Schnee.
FOTO: KATRIN BÖLSTLER Freuen sich über die Eröffnung des neuen psychiatri­schen Fachpflege­heims Mariotte-Glocker-Haus (v. l.): Landrat Heiko Schmid, Martina Nunnenmach­er, die zusammen das Haus leiten werden, Dr. Paul Lahode und Bürgermeis­ter Achim Deinet. Für das Bild scheuten die Anwesenden nichts und stellten sich knöchelhoc­h in den Schnee.
 ?? FOTO: KATRIN BÖLSTLER ?? Blick auf das neue psychiatri­sche Fachpflege­heim vom Museum Kloster Schussenri­ed aus.
FOTO: KATRIN BÖLSTLER Blick auf das neue psychiatri­sche Fachpflege­heim vom Museum Kloster Schussenri­ed aus.

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