Schwäbische Zeitung (Biberach)
Ein neues Zuhause für 90 psychisch kranke Menschen
Warum das neue psychiatrische ZfP-Fachpflegeheim am Standort Bad Schussenried den Namen Mariotte-Glocker-Haus trägt
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BAD SCHUSSENRIED - Nach drei Jahren Bauzeit ist das neue psychiatrische Fachpflegeheim des ZfP in Bad Schussenried fertiggestellt. In wenigen Tagen sollen die Bewohner des Abt-Siard-Hauses dort einziehen. Normalerweise wäre das Haus diese Woche mit einem riesigen Fest eröffnet worden. Doch in Pandemiezeiten ist das nicht möglich. Darum kamen am Dienstag nur die Verantwortlichen seitens Stadt, Landkreis und Träger zusammen, um der Presse die Besonderheiten des Neubaus vorzustellen.
Wer in Bad Schussenried lebt oder in den vergangenen drei Jahren das Kloster besucht hat, konnte miterleben, wie der Bau nach und nach Gestalt annahm. Von außen sieht das L-förmige Gebäude, das sich direkt gegenüber des Museumseingangs befindet, schon länger fertig aus. Und hätte es nicht vor Kurzem einen Wasserschaden im Haus gegeben, wäre es wahrscheinlich auch von innen nun fertig. So aber müssen die Bauarbeiter sich in den nächsten Tagen sputen, damit der geplante Umzug der Bewohner des Abt-SiardHauses auch wirklich in einer Woche stattfinden kann. Zwar sind die Zimmer soweit komplett eingerichtet, doch in den Fluren und den Gemeinschaftsräumen ist noch einiges zu tun, wie sich bei einem Rundgang zeigte.
Nichtsdestotrotz freuten sich alle Beteiligten sehr, dass der Umzug nun unmittelbar bevorsteht. Dr. Dieter Grupp, Geschäftsführer des ZfP Südwürttemberg, hätte sich für diesen Tag ein Fest mit mehreren hundert Gästen gewünscht, bei dem die Beschäftigen des ZfP und die Menschen aus Bad Schussenried zusammengekommen wären. Denn so, wie das neue Haus nun nicht nur mitten auf dem ZfP-Campus liegt, so liegt es auch mitten in der Innenstadt, nur wenige Meter vom Rathaus entfernt. Der Standort sei bewusst gewählt, denn man wolle die psychisch kranken Menschen nicht ausgrenzen, sondern sie zurück in die Gemeinschaft holen, betonte er. Auch wenn es in Pandemiezeiten besonders schwierig sei, so gelte doch weiterhin, dass der direkte menschliche Kontakt für psychisch Kranke besonders wichtig sei, genauso wie das Gefühl dazuzugehören.
Landrat Heiko Schmid ist Mitglied des Aufsichtsrats des ZfP Südwürttemberg und hat den Bau von Anfang an begleitet. Er erinnerte daran, dass der Ausgangspunkt für den Neubau die Umsetzung der Landesheimbauverordnung Baden-Württemberg sei. Diese schreibt vor, dass jeder Langzeitpatient das Recht auf ein eigenes Zimmer mit Bad hat. Im Abt-Siard-Haus, in dem die Patienten bisher lebten, gab es zum Teil noch Doppelzimmer und oftmals im Zimmer nur ein Waschbecken. Die neue Verordnung sorge für eine höhere Lebensqualität und eine geschützte Intim- und Privatsphäre der schwächeren Mitglieder der Gesellschaft.
„Das Ziel dabei ist, dass diese Menschen, deren Zuhause dieses Fachpflegeheim ist, trotzdem so selbst bestimmt wie möglich leben“, so Schmid.
Schussenrieds Bürgermeister Achim Deinet betonte, dass es während der gesamten Bauzeit eine enge Zusammenarbeit zwischen Stadt und ZfP gegeben habe. „Das ZfP gehört zu Bad Schussenried und die Entwicklung des ZfP liegt mir am Herzen“, betonte er. Man dürfe nie vergessen, dass alle Menschen, egal wie krank, Teil der Gesellschaft seien. Die heutige Eröffnung des Heims sei daher ein fröhlicher Tag für Bad Schussenried. Es sei nicht einfach gewesen, in einem so historischen Umfeld, mitten in der früheren Klosteranlage, ein neues Gebäude zu planen. Städtebaulich füge sich das Fachpflegeheim aber nun sehr gut in seine Umgebung ein.
Christoph Vieten, Regionaldirektor Donau-Riss und Zentralbereichsleiter Arbeit und Wohnen im ZfP Südwürttemberg, erinnerte daran, wie sehr sich die Betreuung und Pflege von psychisch Kranken in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat. Die neue Verordnung sei der letzte Baustein in einer langen Reihe von Verbesserungen. Nachdem die Betreuung von psychisch kranken
Langzeitpatienten in der Region lange nur am Standort Bad Schussenried möglich gewesen sei, habe das ZfP inzwischen ähnliche Einrichtungen in Riedlingen und Ehingen errichtet, so dass die Menschen näher an ihrem Heimatort betreut würden. 90 Personen würden nun künftig im neuen Mariotte-Glocker-Haus leben.
Das Haus leiten werden Dr. Paul Lahode und Martina Nunnenmacher. Lahode erläuterte, warum das ZfP sich für diesen Namen entschieden hat. Mariotte Glocker arbeitete mehr als 40 Jahre lang als Sozialarbeiterin am ZfP Bad Schussenried. Viele Mitarbeiter erinnern sich noch gut an sie. Glocker war eine der ersten, die als Außenfürsorgerin die Patienten zu Hause aufsuchte. Auf ihre Initiative hin wurde die Fürsorge über die Jahre hinweg immer weiter ausgebaut. Auch nach ihrem Ausscheiden engagierte sie sich weiter ehrenamtlich für die Heimbewohner und wurde 2016 hierfür mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
Martina Nunnenmacher berichtete, dass sie im Vorfeld dieses Treffens die Bewohner gefragt hatte, was sie denn von ihrem neuen Zuhause hielten. Das Wichtigste sei für diese, dass sie nun mitten in der Stadt leben würden. Zudem sei die Freude groß darüber, nun wieder mitten auf dem Campus und damit auch näher an der Klinik zu sein. Man dürfe nicht vergessen, dass die meisten dieser Menschen fast ihr gesamtes Leben hier verbringen würden. Und bei Menschen, die so schwer psychisch krank seien, dass sie nicht mehr ambulant betreut werden könnten, seien das Personal und die anderen Patienten zu einer Art Familie geworden. Und drittens, natürlich, die Aussicht auf ein schönes neues Zimmer für jeden allein. „Ich glaube, wir haben etwas Gutes vollbracht“, freute sich Nunnenmacher.