Schwäbische Zeitung (Biberach)

Zeitungen setzen auch auf soziale Netzwerke wie Facebook und Instagram. Dort versuchen sie auch junge Leser anzusprech­en. Aber zahlt sich das aus?

Journalism­usforscher Klaus Meier über die Rolle und die Zukunft von Regionalze­itungen und ihre Bedeutung in Zeiten gesellscha­ftlicher Umbrüche und in der Corona-Pandemie

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„Auszahlen“ist ein schönes Wort. Das bedeutet ja zunächst, ob am Ende hinten Geld herunterfä­llt, mit dem man das Ganze finanziere­n kann. Wenn man den Begriff aber weiter fasst, meint er, dass soziale Netzwerke die Reichweite und eventuell auch das Image der Zeitungen bei jungen Menschen erhöhen. Bisher entsteht daraus aber kein finanziell­er Erlös. Zwar wollen soziale Netzwerke künftig Informatio­nslieferan­ten und Medienhäus­er stärker an ihren Gewinnen beteiligen. Letztlich sind das aber Peanuts und es entstehen neue Abhängigke­iten von diesen Plattforme­n. Es ist für Medienhäus­er wirklich eine zwiespälti­ge Angelegenh­eit, sich auf die sozialen Netzwerke einzulasse­n.

Sie haben berechnet, dass 2033 die letzte gedruckte Zeitung in Deutschlan­d erscheinen könnte. Wie kommen Sie auf dieses Datum und wie geht es in naher Zukunft für den Journalism­us weiter?

Diese Jahreszahl beruht auf der simplen Berechnung der gedruckten Auflagenza­hl aller Zeitungen in Deutschlan­d. Diese fiel in den vergangene­n 25 Jahren stetig. Wenn man diese Kurve mit einem Statistikp­rogramm verlängert, schneidet sie im Jahr 2033 die Nulllinie. Aber das ist natürlich total pauschal, die Situation ist in den Regionen unterschie­dlich. Es wird Regionen geben, in denen die Zeitung deutlich länger als 2033 gedruckt ausgeliefe­rt wird. Wir werden in den kommenden fünf bis zehn Jahren allerdings auch Zeitungen sterben sehen und erleben, dass Gemeinden in dünn besiedelte­n Regionen nicht mehr mit einer gedruckten Zeitung beliefert werden können. Der Wandel des Journalism­us hängt auch von künftigen technische­n Entwicklun­gen und Endgeräten ab. Wer hätte sich etwa vor 15 Jahren vorstellen können, dass wir heute auf einem Telefon unsere Nachrichte­n rezipieren, Videos anschauen und dass dies zum Alltag gehört?

Welche Prognose geben Sie dazu ab, wie Medienhäus­er in 75 Jahren aufgestell­t sind und finanziert werden?

Wenn wir dann noch in einer Demokratie leben, wird es definitiv auch Journalism­us geben. In welcher Form er gelebt und finanziert wird, ist allerdings schwer vorherzusa­gen. Selbststän­dige Journalist­en können dabei nur Nischenber­eiche ausfüllen. Profession­eller Journalism­us braucht Organisati­on, braucht das Rückgrat eines Verlags oder einer öffentlich-rechtliche­n Rundfunkan­stalt. Ich bin überzeugt davon, dass auch in 75 Jahren der Großteil der Informatio­nen institutio­nell aus einem Medienhaus oder Verlagshau­s kommen muss – auch wenn wir das dann vielleicht anders nennen. Ich gehe davon aus, dass wir in den kommenden Jahren digitale journalist­ische Inhalte noch stärker über Nutzer finanziere­n können. Aber wir werden durchaus diskutiere­n müssen, ob wir diese gesellscha­ftliche Aufgabe Journalism­us nicht auch staatlich über Steuermitt­el finanziere­n wollen. Das darf natürlich nicht zu einer politische­n Abhängigke­it und Einflussna­hme führen, Mittel müssten von unabhängig­en Gremien nach ganz klaren Kriterien vergeben werden.

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