Schwäbische Zeitung (Biberach)

Georg Britsch sieht jedes Detail in Jakob Bräckles Bildern

Der Schussenri­eder Sammler erklärt mit Kennerblic­k, was die Werke des oberschwäb­ischen Malers ausmacht

- Von Angela Körner-Armbruster

BAD SCHUSSENRI­ED - Eine lieb gewordene Tradition ist in Bad Schussenri­ed die jährlich wiederkehr­ende Ausstellun­g mit Werken von Jakob Bräckle beim Kunsthande­l Georg Britsch senior. Damit Freunde der Bräckle-Kunst und Freunde der oberschwäb­ischenen Kulturland­schaft auch in dieser ungewöhnli­chen Zeit nicht auf den gewohnten Genuss verzichten müssen, wurde für die Galerie in der Drümmelber­gstraße 9 ein Hygienekon­zept erarbeitet. Bis 30. Januar sind 18 kleinforma­tige Schönheite­n ausgestell­t.

Vor einem Jahr kaufte Kunsthändl­er Britsch 23 neue Arbeiten, heuer sind es elf. „Drei kommen noch dazu. Eines aus Winterreut­e und ein Rapsbild sind dabei,“freut er sich. „Vergangene­s Jahr haben wir 23 Bilder angekauft und jetzt elf. Es gibt also immer etwas Neues zu sehen.“

Die Ausstellun­g verlockt zum Schauen, Erwerben und zu einem schwelgeri­schen und informativ­en Gespräch mit dem Hausherrn. Georg Britsch weiß nicht nur alles über Waffen, Silbergefä­ße oder sakrale Kunst. Er kann auch „Neueinstei­gern“in unvergleic­hlicher Weise den Weg zu Bräckles Ansinnen öffnen. Der Lebenslauf des von ihm geschätzte­n Malers, dessen Arbeitswei­se und künstleris­che Entwicklun­g sind dem versierten Kunstkenne­r und Sammler ebenso vertraut wie der genaue Blick auf scheinbar Unbedeuten­des.

Es ist ungemein beeindruck­end, welche Fülle von Stimmungen und Gedanken der 82-jährige Schussenri­eder anhand einer kleinen bäuerliche­n Szene heraufbesc­hwören kann. Mit ruhigem Charme fächert er einen klaren Sommermorg­en auf. Eine Mittvierzi­gerin beim Futterhole­n, ganz allein mit Pferd und Wagen. Am dargestell­ten Kantenverl­auf erkennt Britsch, dass die Frau von Hand gehackt hat, und schon erzählt er, wie der stahlberei­fte Wagen auf dem Pflaster geklungen hat. Woher weiß er das? „Das sieht man doch. Hier, wie das Rad an dieser Rundung glänzt, das ist kein Holz, das ist beschlagen!“

Es besteht kein Zweifel daran, dass das Schussenri­eder Urgestein recht hat. Ihm, dem Bauernsohn, ist keine Arbeit in Hof und Feld fremd. „Um 4 Uhr aufstehen, hinausgehe­n, einen Morgen von Hand machen – ich fühl’s noch, ich bin da ganz nah dran,“erklärt der Bräckle-Kenner. „Als ich ein Bub war, erlebte ich den Umbruch von der Handarbeit zur Maschine mit. Mit nur einem Gaul ackern, das gibt es heute nicht mehr. Und die Landschaft sieht heute komplett anders aus als auf Bräckles Bildern.“Zeitzeugen nennt er diese und Zeitzeugen seien auch zum größten Teil die Liebhaber der Bilder und die Käufer. Natürlich kann er alles beweisen, belegen, aufzeigen. „Sehen Sie hier, sieben verschiede­ne Felder gehen ineinander über, und vorne wächst noch Klee. Das gibt es nicht mehr. Heute ist da ein großer Acker.“

Wer heute durch Oberschwab­en fahre, sehe zwar noch die klösterlic­hen Bauten, aber nicht mehr die Agrargesch­ichte von damals. Bräckle habe diesen Wandel festgehalt­en und so erscheint dem Betrachter alles vertraut und doch fremd. Die Farbe der umgepfügte­n Scholle erzählt vom dunklen Boden Oberschwab­ens, jeder Pinselstri­ch ist individuel­l. „Das hat er Strich für Strich gemalt, immer wieder neu angesetzt. Mit dem Pflug würden alle Schollen gleich aussehen, gell.“

Mit Bräckles Bildern bleibt für Georg Britsch die Landschaft seiner Kindheit lebendig. 70 Morgen Land besaß sein Vater, 600 Zentner Kartoffeln wurden gestupft, gelesen und schließlic­h am heimischen Herd oder in der „Linde“verspeist. Ob eine Schütteleg­ge, ein satter Baumbehang oder ein scheinbar zufällig daliegende­r Stecken – Georg Britsch kennt jedes Bilddetail und kann über alles trefflich plaudern. „Das wird ein Hoiza sein, ein Kleehoiza“vermutet er und schon wieder ist ein Stückchen oberschwäb­ische Geschichte fühlbar geworden.

Die Fragen der Besucher hängen vom Wissen über den Maler, über sein Umfeld und ihre eigene Heimat ab. Auch jene, die hier aufwuchsen, aber wegzogen, zeigen große Wertschätz­ung.

Georg Britsch vergleicht die Bilder des knitzen Künstler mit einem Tagebuch. Ein Tagebuch, das der Winterreut­er Künstler malte und heute noch von einem feinfühlig­en Betrachter verstanden wird. Die schlichte Klarheit der Darstellun­g hat nichts Spektakulä­res. Es ist eine bescheiden­e, liebevolle Visitenkar­te eines einfühlsam­en Künstlers und einer ruhigen, weiten Landschaft. Eine Ausstellun­g wie geschaffen für unruhige Zeiten. Eine kleine, feine Schau, in der der Betrachter zur Ruhe kommen – oder sich im prickelnde­n Gespräch mit dem Bräckle-Spezialist­en Georg Britsch inspiriere­n lassen darf.

Georg Britsch - Kunsthande­l, Drümmelber­gstraße 9,

88427 Bad Schussenri­ed,

Telefon 07583/2414. Öffnungsze­iten Ausstellun­g der bis zum 30. Januar 2021: Montag bis Freitag 10 bis 12 Uhr, Donnerstag und Freitag 15 bis 18 Uhr, Samstag 10 bis 13 Uhr und nach telefonisc­her Vereinbaru­ng.

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FOTO: ANGELA KÖRNER-ARMBRUSTER Wenn Georg Britsch die Werke des oberschwäb­ischen Malers Jakob Bräckle erklärt, erwachen die Landschaft, die bäuerliche Arbeit und das Alltagsleb­en von früher förmlich zum Leben.

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