Schwäbische Zeitung (Biberach)
Extremer Kitzel im alpinen Kerngeschäft
Viktoria Rebensburg mag Sölden, Etappe eins auf dem Weg zum Riesenslalom-Bleikristall
SÖLDEN/LAUPHEIM - In Resultaten liest sich Viktoria Rebensburgs Beziehung zu Sölden so: 18., ausgeschieden (im ersten Lauf ), Achte, Erste, Zweite, ausgeschieden (im zweiten Lauf ), Dritte, Sechste, Sechste, nicht gestartet (nach Schienbeinkopfbruch in der Saisonvorbereitung), Erste, Vierte. Sie mag ihn, den Riesenslalom am Rettenbachferner stets zum Auftakt des Weltcup-Winters, die Vicky vom SC Kreuth. „Da kommt“, hat die 30-Jährige erst eben bei der Einkleidung der deutschen Skisportler in Laupheim verraten, „eine extrem positive Stimmung auf, wenn man nur ins Ötztal hineinfährt und weiß, es geht wieder los. Sölden ist der perfekte Ort für das Saison-Opening.“
Sölden ist der perfekte Ort für Viktoria Rebensburg. Sagt Viktoria Rebensburg: „Gleich mal eine ziemlich gute Challenge“sei der Kurs mit „seinem langen Steilhang. Es ist kein leichter Hang, und die Kulisse ist brutal.“14 000 wollten 2018 die Frauen sehen, 370 Meter Höhenunterschied (auf 1120 Meter Streckenlänge) sind auch diesen Samstag (10 und 13 Uhr; ARD, Eurosport) zu bewältigen, die Neigung an den steilsten Stellen beträgt kernige 70 Prozent. Kurz: „Ein cooles Rennen, ein extremer Kitzel.“Und: „Nach Sölden weiß man, wo man steht.“
Vor Sölden weiß Viktoria Rebensburg, dass sie sich nach bestem Wissen und Gewissen vorbereitet hat auf Weltcup-Winter Nr. 14. Die Basis sei gelegt – in bewährter Manier. Nur „an kleineren Stellschrauben“haben Sportlerin und Trainer den Sommer über gedreht, „ich weiß ja auch, dass es funktioniert“. Olympiagold 2010, Bronze 2014, WM-Silber 2015 und 2019 sowie 14 Weltcup-Siege allein im Riesenslalom (von 19 insgesamt) sind dafür feiner Beleg. Wolfgang Maier, Sportdirektor Alpin im Deutschen Skiverband, kann Zahlen lesen und hat genau hingeschaut zuletzt: „Viktoria machte in der Vorbereitung einen sehr stabilen Eindruck. Wir hoffen, dass sie sich über die gesamte Saison gut entwickelt und, wie in den letzten Jahren, Zugpferd und Erfolgsgarant für das Damenteam sein wird.
Ihr und unser Anspruch ist es, um die Disziplinenkugel zu kämpfen.“
Dreimal bereits, 2010/11, 2011/12 und 2017/18, hat eine solche Trophäe aus feinstem Bleikristall – edel geschliffen, handgraviert, acht Kilogramm schwer, 36 Zentimeter hoch – einen konstant starken Winter im alpinen Kerngeschäft der Oberbayerin geadelt. Da liegt es nahe, zumal in einem Zwischenjahr ohne Spiele, ohne WM, die Ressourcen mit Blick auf einen eventuellen vierten Coup zu bündeln. Mit 41 Rennen an 21 Orten sind die kommenden knapp fünf Monate Weltcup pickepackevoll. „Mehr Starts, mehr Reisen“heißt das, „und im März gibt es am Ende noch mal drei Riesenslaloms (unter anderem, am 7. 3., in Ofterschwang; d. Red.). Da muss man die Saison schon clever planen, damit man auch da noch die richtige Power hat.“Hilfreich bei allen strategischen Gedankenspielen:
Der Gesamtweltcup ist in der Ära Mikaela Shiffrin wohl auf lange Sicht vergeben. Dreimal in Folge war die Amerikanerin beste Allrounderin. Es gibt keinen plausiblen Grund, warum ihr das nicht auch 2019/20 gelingen sollte. Mikaela Shiffrin übrigens ist nach wie vor erst 24 Jahre alt – sie hat 60 (!) Weltcup-Rennen gewonnen.
Auf den Punkt da gewesen
Allesfahrerin Shiffrin aber hat durchaus auch – ganz bewusst – auf Starts verzichtet, hat Trainingscamps eingeschoben, Ski getestet, regeneriert. Kein schlechtes Vorbild, sind doch auch Riesenslalom, Super-G und Abfahrt ein stattliches Pensum. Viktoria Rebensburgs Pensum. Und „von einem Rennen zum anderen hetzen“will die nicht. Die Ambitionen in den Speed-Disziplinen reduzieren indes auch nicht. Vielleicht wird das Abfahrtstraining ein wenig kürzertreten (müssen), der Super-G passt schlicht besser zur Rebensburg’schen Kurvenfertigkeit. Da mehr reinstecken, mehr rausholen – gut möglich: Bei der WM diesen Februar in Åre fehlten der Super-G-Vierten 0,07 Sekunden zu Dominatorin Shiffrin. Zu Gold. Von Frauen-Cheftrainer Jürgen Graller stammt der Satz, er hab „selten eine Athletin gesehen, die für den Super-G so perfekte Voraussetzungen mitbringt“. Der Mann hat viel gesehen.
Auch eine Viktoria Rebensburg, die sich in Åre mit Riesenslalom-Silber entschädigte. Die „als glücklicher Mensch heimfliegen“konnte und mit der „coolen Erfahrung“im Gepäck, „dass ich auf den Punkt da sein kann“.
Eine Gewissheit, die mitfahren wird. In Sölden – bei Weltcup-Start 241 –, den nicht enden wollenden Steilhang hinunter. Den mag sie, die Vicky vom SC Kreuth. Sie weiß ja auch, wie es dort funktioniert.