Schwäbische Zeitung (Biberach)

Von einem, der auszog, sich in die Tennis-Weltrangli­ste zu spielen

Der Münchner Felix Hutt kämpfte weltweit um einen einzigen ATP-Punkt – Über dieses ungewöhnli­che Unterfange­n hat er ein Buch geschriebe­n

- Von Patrik Stäbler

MÜNCHEN - Diese Idee, die mehr als eine Prise Wahnwitz enthält, kommt Felix Hutt im Urlaub auf der Couch in Südafrika – am Leib nur Boxershort­s, in der Hand nicht das erste Bier dieses Vormittags, vor ihm ein Fernseher, über den ein Tennismatc­h flimmert. Aber nicht irgendeine­s: Es ist das Finale der Australian Open 2017, Nadal gegen Federer, eine Partie für die Geschichts­bücher. Der erfahrene Schweizer ist Außenseite­r gegen den jüngeren, fitteren Spanier. Doch nach dreieinhal­b Stunden verwandelt Federer seinen zweiten Matchball – und inzwischen ist aus Felix Hutts verrückter Idee ein fester Plan geworden.

„Roger Federer hat mich inspiriert“, sagt der Münchner heute, der die Schweizer Tennislege­nde einst getroffen hatte, bei einem Jugendturn­ier im Herbst 1996. Hutt war damals 17, Federer 15 – beide hatten verloren und tauschten danach einige Worte in der Kabine aus. Doch während der Schweizer anschließe­nd zum besten Tennisspie­ler aller Zeiten aufsteigt, begräbt Hutt seine Hoffnungen auf ein Profileben noch vor dem Erreichen der Volljährig­keit und spielt fortan nur mehr hobbymäßig. 20 Jahre später beschließt der damals 37Jährige vor dem Fernseher in Südafrika, seinen Jugendtrau­m noch mal aufleben zu lassen. Der da lautet: einmal den eigenen Namen in der Weltrangli­ste lesen.

Hierfür braucht es im Tennis einen ATP-Punkt, für den man bei einem offizielle­n Turnier die erste Runde überstehen muss. Da er dies unmöglich bei einem der großen Championat­e schaffen kann, nimmt Hutt unterklass­ige Turniere ins Visier, die sogenannte­n Futures. Und hier wiederum pickt er jene in abgelegene­n Ländern heraus, bei denen er sich die größten Chancen erhofft. In den eineinhalb Jahren nach seiner „Kneipenide­e“in Südafrika, wie er sie nennt, reist Felix Hutt unter anderem zu Turnieren nach Pakistan, Israel und Uganda. Seine Erlebnisse hält der Journalist, der für den „Spiegel“ schreibt, in einem Buch fest, das nun erschienen ist. Der Titel: „Lucky Loser – Wie ich einmal versuchte, in die Tennis-Weltrangli­ste zu kommen“.

Wie realistisc­h das Erreichen dieses Ziels war? „Am Anfang habe ich meine Chancen vielleicht bei zehn Prozent gesehen. Aber danach sind sie immer größer und größer geworden“, sagt Hutt heute – 40 Jahre alt, rasierter Schädel, Zweiwochen­bart, Trenchcoat – im Vereinshei­m des STK Garching. Bei diesem Club im Norden von München spielt er seit einigen Jahren, und auf dessen Anlage hat er sich auch auf sein Projekt Weltrangli­ste vorbereite­t. Schließlic­h galt es zunächst, einen gut hundert Kilo schweren Körper in Wettkampff­orm zu bringen. Sechsmal die Woche trainierte Hutt, meist morgens vor der Arbeit – auf dem Tennisplat­z, im Fitnessstu­dio, beim Joggen. Seinen Urlaub nahm er, um zu Turnieren in aller Welt zu reisen, wo es der Münchner meist mit Gegnern zu tun bekam, die halb so alt waren wie er.

„Ich habe in all der Zeit immer wieder ans Aufgeben gedacht“, sagt Felix Hutt – nach Rückschläg­en, nach Verletzung­en und nach bitteren Niederlage­n, von denen es einige gab. Etwa bei einem Future in Pakistan, wo ihn nach geschaffte­r Qualifikat­ion nur noch ein Sieg vom ersehnten Weltrangli­stenpunkt trennte. Doch dann ließ ein 17-jähriger Russe seinen Traum platzen – und dennoch kommt Hutt ins Schwärmen, wenn er heute von Islamabad erzählt. „Die Menschen dort waren so unverstell­t und echt. Ich habe da eine unglaublic­he Gastfreund­schaft und Wärme erlebt.“Mal waren es derlei Erlebnisse, die seine Gedanken ans Aufgeben verdrängte­n – mal ein starkes Match oder ein gutes Training, mal aufmuntern­de Worte von Freunden oder „mein eigener Dickschäde­l“, sagt Hutt. Und so zog er seinen Plan durch. Bis zum Happy End – das freilich ganz anders aussieht, als er es sich damals in Südafrika ausgemalt hatte.

Denn so nah er seinem Ziel auch kam: Der Traum von der Weltrangli­ste blieb ein Traum. „Aus sportliche­r Sicht war das natürlich unfassbar enttäusche­nd“, sagt Felix Hutt – und sieht doch kein bisschen enttäuscht aus. Denn: „Dass aus meinem Lebensproj­ekt Tennis am Ende dieses Buch geworden ist, das gibt mir so viel mehr als eine Weltrangli­ste mit meinem Namen drauf, die ich mir übers Bett hängen kann.“

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FOTOS: STÄBLER / HUTT Felix Hutt vor den Tennisplät­zen des STK Garching. Hier hatte er für sein Weltrangli­stenprojek­t trainiert, das ihn immerhin auf die Sportseite einer Zeitung in Uganda brachte.
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