Schwäbische Zeitung (Biberach)
Von einem, der auszog, sich in die Tennis-Weltrangliste zu spielen
Der Münchner Felix Hutt kämpfte weltweit um einen einzigen ATP-Punkt – Über dieses ungewöhnliche Unterfangen hat er ein Buch geschrieben
MÜNCHEN - Diese Idee, die mehr als eine Prise Wahnwitz enthält, kommt Felix Hutt im Urlaub auf der Couch in Südafrika – am Leib nur Boxershorts, in der Hand nicht das erste Bier dieses Vormittags, vor ihm ein Fernseher, über den ein Tennismatch flimmert. Aber nicht irgendeines: Es ist das Finale der Australian Open 2017, Nadal gegen Federer, eine Partie für die Geschichtsbücher. Der erfahrene Schweizer ist Außenseiter gegen den jüngeren, fitteren Spanier. Doch nach dreieinhalb Stunden verwandelt Federer seinen zweiten Matchball – und inzwischen ist aus Felix Hutts verrückter Idee ein fester Plan geworden.
„Roger Federer hat mich inspiriert“, sagt der Münchner heute, der die Schweizer Tennislegende einst getroffen hatte, bei einem Jugendturnier im Herbst 1996. Hutt war damals 17, Federer 15 – beide hatten verloren und tauschten danach einige Worte in der Kabine aus. Doch während der Schweizer anschließend zum besten Tennisspieler aller Zeiten aufsteigt, begräbt Hutt seine Hoffnungen auf ein Profileben noch vor dem Erreichen der Volljährigkeit und spielt fortan nur mehr hobbymäßig. 20 Jahre später beschließt der damals 37Jährige vor dem Fernseher in Südafrika, seinen Jugendtraum noch mal aufleben zu lassen. Der da lautet: einmal den eigenen Namen in der Weltrangliste lesen.
Hierfür braucht es im Tennis einen ATP-Punkt, für den man bei einem offiziellen Turnier die erste Runde überstehen muss. Da er dies unmöglich bei einem der großen Championate schaffen kann, nimmt Hutt unterklassige Turniere ins Visier, die sogenannten Futures. Und hier wiederum pickt er jene in abgelegenen Ländern heraus, bei denen er sich die größten Chancen erhofft. In den eineinhalb Jahren nach seiner „Kneipenidee“in Südafrika, wie er sie nennt, reist Felix Hutt unter anderem zu Turnieren nach Pakistan, Israel und Uganda. Seine Erlebnisse hält der Journalist, der für den „Spiegel“ schreibt, in einem Buch fest, das nun erschienen ist. Der Titel: „Lucky Loser – Wie ich einmal versuchte, in die Tennis-Weltrangliste zu kommen“.
Wie realistisch das Erreichen dieses Ziels war? „Am Anfang habe ich meine Chancen vielleicht bei zehn Prozent gesehen. Aber danach sind sie immer größer und größer geworden“, sagt Hutt heute – 40 Jahre alt, rasierter Schädel, Zweiwochenbart, Trenchcoat – im Vereinsheim des STK Garching. Bei diesem Club im Norden von München spielt er seit einigen Jahren, und auf dessen Anlage hat er sich auch auf sein Projekt Weltrangliste vorbereitet. Schließlich galt es zunächst, einen gut hundert Kilo schweren Körper in Wettkampfform zu bringen. Sechsmal die Woche trainierte Hutt, meist morgens vor der Arbeit – auf dem Tennisplatz, im Fitnessstudio, beim Joggen. Seinen Urlaub nahm er, um zu Turnieren in aller Welt zu reisen, wo es der Münchner meist mit Gegnern zu tun bekam, die halb so alt waren wie er.
„Ich habe in all der Zeit immer wieder ans Aufgeben gedacht“, sagt Felix Hutt – nach Rückschlägen, nach Verletzungen und nach bitteren Niederlagen, von denen es einige gab. Etwa bei einem Future in Pakistan, wo ihn nach geschaffter Qualifikation nur noch ein Sieg vom ersehnten Weltranglistenpunkt trennte. Doch dann ließ ein 17-jähriger Russe seinen Traum platzen – und dennoch kommt Hutt ins Schwärmen, wenn er heute von Islamabad erzählt. „Die Menschen dort waren so unverstellt und echt. Ich habe da eine unglaubliche Gastfreundschaft und Wärme erlebt.“Mal waren es derlei Erlebnisse, die seine Gedanken ans Aufgeben verdrängten – mal ein starkes Match oder ein gutes Training, mal aufmunternde Worte von Freunden oder „mein eigener Dickschädel“, sagt Hutt. Und so zog er seinen Plan durch. Bis zum Happy End – das freilich ganz anders aussieht, als er es sich damals in Südafrika ausgemalt hatte.
Denn so nah er seinem Ziel auch kam: Der Traum von der Weltrangliste blieb ein Traum. „Aus sportlicher Sicht war das natürlich unfassbar enttäuschend“, sagt Felix Hutt – und sieht doch kein bisschen enttäuscht aus. Denn: „Dass aus meinem Lebensprojekt Tennis am Ende dieses Buch geworden ist, das gibt mir so viel mehr als eine Weltrangliste mit meinem Namen drauf, die ich mir übers Bett hängen kann.“