Schwäbische Zeitung (Biberach)
Kritik an veraltetem Jugendschutz
Lücken bei Altersfreigabe von Computerspielen – Kompetenzstreit von Bund und Ländern
RAVENSBURG - Besorgte Eltern, Mängel beim Jugendschutz: Für das beim Nachwuchs beliebte Computerspiel Fortnite Battle Royale gibt es für die Onlineversion keine Altersfreigabe durch die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK), die zuständige Stelle für Videospiele. Dahinter steckt ein grundsätzliches Problem: Die USK, sie arbeitet auf Grundlage des Jugendschutzgesetzes (JuSchG), hat keine Entscheidungshoheit bei Onlinespielen. Dafür sind in Deutschland nach dem JugendmedienschutzStaatsvertrag (JMStV) die Bundesländer zuständig. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend kritisiert diese Aufteilung: „Die tatsächlichen Entwicklungen im Medienbereich haben das geltende Recht überholt. Dieses ist schlichtweg veraltet“, sagte eine Sprecherin nun der „Schwäbischen Zeitung“.
Die Aufteilung zwischen Bund und Ländern beim Jugendschutz entstand einst aus dem Willen, im Mediensektor eine Machtkonzentration zu vermeiden. Diesen Ansatz findet aber auch USK-Geschäftsführerin Elisabeth Secker nicht zeitgemäß: „Die Digitalisierung hat den Jugendschutz ganz deutlich eingeholt“, sagte Secker im Interview mit der „Schwäbischen Zeitung“. Fortnite – ein Kampf- und Bauspiel – ist für diese Problematik ein prominentes Beispiel, weil es mit weltweit mehr als 200 aktiven Spielern extrem erfolgreich ist.
Medienexperten kritisieren überdies, dass es neben der USK weitere Labels zur Alterskennzeichnung gibt, was die Orientierung für Eltern zusätzlich erschwere. Negativ wird auch gesehen, dass sich Onlinehändler selbstständig um eine Alterskennzeichnung bemühen sollen. Der Bund plädiert daher für eine „verbindliche Pflicht für relevante Medienanbieter“bei der Alterskennzeichnung sowie „einheitliche Kriterien für die Vergabe“. Das Staatsministerium des Landes Baden-Württemberg reagiert auf Anfrage zurückhaltender: Zwar gebe es im Jugendmedienschutz die „unbestrittene Notwendigkeit abgestimmter Regelungen“. Was jedoch „keine Alleinregelungskompetenz der Materie durch den Bund oder die Länder“bedinge.
Das Bundesministerium kündigt unterdessen einen Modernisierungsvorschlag beim Jugendschutz an.
RAVENSBURG - Mütter diskutieren besorgt, Väter recherchieren im Internet und manch Erwachsener schlüpft selber in die virtuelle Rolle eines Kämpfers. Das Computerspiel Fortnite und der Ableger Fortnite: Battle Royal boomen. Hersteller Epic Games geht von weltweit mehr als 200 Millionen Fortnite-Spielern aus und erwirtschaftete 2018 drei Milliarden Dollar. Verwirrend ist für Eltern, dass das Spiel unterschiedliche oder gar keine Alterseinstufung durch Institutionen hat. Für die Alterseinstufung von Computerspielen ist in Deutschland die USK, die Unterhaltungssoftware-Selbstkontrolle (analog zur FSK, der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft), zuständig. Dirk Grupe sprach mit USK-Geschäftsführerin Elisabeth Secker über die Alterseinstufung bei Fortnite, über die Probleme bei der Bewertung von Onlinespielen und warum der Jugendschutz nicht mehr zeitgemäß ist.
Frau Secker, Eltern, die sich über Fortnite informieren, stellen zunächst fest, dass die USK das Spiel ab einem Alter von zwölf Jahren empfiehlt. Nach genauerer Recherche stoßen sie jedoch auf Versionen des Spiels, die überhaupt keine Alterseinordnung haben und auch gewalttätiger sind. Woher die Unterschiede?
Die Digitalisierung hat den Jugendschutz ganz deutlich eingeholt. Die Krux ist, dass wir ein Jugendschutzgesetz haben, das noch aus dem Jahr 2003 stammt, das veraltet ist und das dringend modernisiert werden muss. Die Bundesfamilienministerin hat auch angekündigt, etwas zu tun. Bei Fortnite ist der Fakt, dass die USK den Modus Rettet die Welt geprüft hat, wo viel gebaut wird und wo weniger der Kampfaspekt im Vordergrund steht. Deshalb kam das Gremium zu der Einschätzung, eine 12 zu vergeben. Kurze Zeit später ist der Modus Fortnite: Battle Royale erschienen ...
... bei dem 100 Spieler auf einer Landkarte zusammenkommen und der Letzte, der den Kampf überlebt, gewinnt ...
... dieser Spielemodus ist nur online erschienen. Spiele, die nur online erscheinen, unterliegen aber anderen Regeln als solche, die auch in den Handel kommen. Online müssen Anbieter selber darauf achten, dass sie den Jugendschutz befolgen. Wir beraten auch Firmen, wie sie im Onlinebereich den Jugendschutz ausgestalten können. Aber diese Unterscheidung kann gewiss verwirrend sein.
Aber das Ziel muss es dann doch sein, eine Alterskennzeichnung auch im Internet zu erreichen?
Deshalb haben wir uns schon vor Langem mit Institutionen für Alterskennzeichnung weltweit zusammengeschlossen, um ein Jugendschutzsystem auf die Beine zu stellen, mit dem wir Alterskennzeichen auch auf Online-Plattformen zeigen können. Bei Anbietern wie z. B. dem Google Play Store, dem Nintendo eShop oder der Microsoft Xbox sieht man dann auch Alterskennzeichnungen der USK. Fortnite: Battle Royale ist allerdings so ein Fall, bei dem wir gesetzlich noch hinterherhinken.
Sind die Unternehmen denn überhaupt kooperativ, wenn es um die „freiwillige Selbstkontrolle“geht?
Im Wesentlichen sind die Unternehmen sehr kooperativ und übernehmen Verantwortung. Klar gibt es aber auch immer ein paar schwarze Schafe. Aber auch die können wir ganz gut einfangen. Für viele Unternehmen ist Jugendschutz auch ein
Verkaufsargument und daher wichtig. Davon abgesehen, findet sich unter den Jugendschutzsachverständigen der USK niemand aus der Wirtschaft. Der Staat dagegen ist bei den Verfahren beteiligt.
Allerdings gibt es neben der USK auch andere Siegel, die für sich beanspruchen, dem Jugendschutz Rechnung zu tragen ...
... da es Online keine Verpflichtung für die Unternehmen gibt, gibt es Anbieter, die ein auch in Deutschland anerkanntes
System wie das der USK nutzen.
Es gibt aber auch
Anbieter wie beispielsweise Apple, die ihr eigenes
Ding machen wollen. Das ist der Einheitlichkeit sicher abträglich. Mein Eindruck ist aber, dass der Gesetzgeber auch dieses Thema mehr in den Blick nehmen will.
Die Freiwillige Selbstkontrolle für Spielfilme (FSK) kommt Eltern oft wie eine grobe Richtlinie vor. Da gibt es Filme ab 16, die würde man mit einem jüngeren Kind niemals anschauen, andere dagegen schon, weil sie harmloser wirken. Wie genau sollten Eltern die Einstufung der USK nehmen?
Jedes Kind ist natürlich unterschiedlich. Bei der USK schauen wir: Inwiefern sind Inhalte beeinträchtigend für die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen? Daraus ergibt sich die gesetzlich verbindliche Altersfreigabe für den Verkauf im Handel. Gleichzeitig gilt aber auch das Elternprivileg. Deshalb können Erziehungsberechtigte durchaus zusammen mit ihrem Kind ein Spiel spielen, das für Ältere gedacht ist, wenn sie es ihm zutrauen. Trotz allem empfehlen wir, sich an die Alterskennzeichnung zu halten. Vor allem wird es immer wichtiger, dass Eltern ihre Kinder beim Medienkonsum begleiten.
Es geht auch darum, dass Eltern ihre Selbstverantwortung wahrnehmen?
Allein schon, weil sich im Internet die Inhalte immer weniger kontrollieren lassen. Da genau hinzuschauen, sich mal zeigen zu lassen, was mein Kind spielt und nachzufragen, weshalb es sich gerade für dieses Spiel interessiert – das ist unheimlich wichtig.
Sollten Eltern auch selber spielen?
Ich denke, Eltern sollten mitspielen. Es ist immer gut, sich dafür zu interessieren, was die eigenen Kinder machen und was sie fasziniert. Darüber entstehen wieder ganz andere Themen und Gespräche, gerade mit Jugendlichen, die ja oft unzugänglicher sind. Das ist absolut positiv.
Haben Sie selber schon mal Fortnite gespielt?
Ja (lacht).
Wie hat es Ihnen gefallen?
Ich fand die Grafik spannend und auch die teils sehr lustigen Items. Ich bin aber nicht die beste ShooterSpielerin ...