Schwäbische Zeitung (Biberach)
„Durchaus bigott“
Zu dem Artikel „Schwarzarbeit macht Friseuren zu schaffen“vom 29. Oktober erreicht die SZ dieser Leserbrief.
Dieses Klagelied wird in Innungen und Verbänden schon seit langer Zeit gesungen. Sicherlich wäre es gerechter, wenn alle Unternehmen die Mehrwertsteuer abzuführen hätten.
Aber das ist bestimmt nicht das Hauptproblem der Branche. Einerseits hat sich zwar die Anzahl dieser Betriebe in den letzten Jahren stark erhöht, andererseits wird bei der Kritik daran das Prinzip von Ursache und Wirkung gerne ausgeblendet.
Wer Löhne und Ausbildungsvergütungen über Jahre hinweg auf derart niedrigem Niveau verharren lässt, darf sich hinterher über die wachsende Anzahl von Kleinunternehmen nicht beschweren.
Genausowenig wie über mangelnden Nachwuchs. Dafür wurde über die vergangenen Jahrzehnte hinweg häufig über Bedarf ausgebildet, nicht zuletzt ermöglicht durch niedrige Ausbildungsvergütungen. Leider wurden damit die Auszubildenden nicht selten als billige Hilfskräfte missbraucht. Dieser Überhang von gestern ist nun die oft billige Konkurrenz von heute. Von der Seite der Innungen liest man nun vom Begehren nach staatlichen Subventionen wie Senkung der Mehrwertsteuer und Ausbildungsbeihilfen. Aber ansonsten verwahrt man sich weiterhin gegen staatliche Eingriffe wie gesetzliche Mindestlöhne und Mindestausbildungsvergütungen. Wer in diesem Zusammenhang den „Tod des Friseurhandwerks“voraussagt, hat die Zeichen der Zeit leider immer noch nicht erkannt. Die Probleme sind selbst geschaffen und von daher ist das im Artikel beschriebene Gejammer durchaus als bigott zu bezeichnen. Dies trägt sicher nicht zum besseren Ansehen unseres eigentlich schönen und interessanten Berufes bei. Gut, dass es auch immer mehr Unternehmen gibt, die sich von diesem Trauerspiel schon seit längerem absetzen. Sie binden nicht zuletzt mit höheren Löhnen und Ausbildungsvergütungen die besten Mitarbeiter an sich und haben in der Zukunft im Wettbewerb die Nase vorn. André Simon, Biberach