Schwäbische Zeitung (Biberach)
Rückzug Österreichs befeuert Debatte über UN-Migrationspakt
Regierung in Wien begründet Schritt mit Sorge um Souveränität – Berlin hält an geplantem Abkommen fest
BERLIN/WIEN (dpa) - Nach den USA, Ungarn und Australien zieht sich jetzt auch Österreich aus dem geplanten Migrationspakt der Vereinten Nationen zurück. Damit nimmt die Debatte über den rechtlich nicht bindenden globalen Pakt für Migration auch in Deutschland Fahrt auf.
Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte am Mittwoch, die Bundesregierung bedauere die Entscheidung Österreichs. Sie werde dessen ungeachtet selbst weiter „für seine Umsetzung werben“. Der Pakt könne helfen, Kompromisse zwischen den Herkunfts-, Transit- und Zielländern von Migranten zu erzielen.
Gipfeltreffen in Marokko
Die AfD forderte die Bundesregierung dagegen auf, dem Beispiel Österreichs zu folgen, „um irreversible Schäden vom Volk abzuwenden“. Die migrationspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Filiz Polat, sagte, die anstehende Unterzeichnung des Migrationspaktes sei ein „klares Signal gegen den grassierenden Nationalismus, sei es von Donald Trump oder Viktor Orban, die sich hier der internationalen Verantwortung entziehen wollen“.
Das von den UN-Mitgliedstaaten beschlossene Dokument soll bei einem Gipfeltreffen am 10. und 11. Dezember in Marokko unterzeichnet werden. Der Pakt soll helfen, Flucht und Migration besser zu organisieren sowie die Rechte der Betroffenen zu stärken. Betont wird in dem Papier, dass die Souveränität der Nationalstaaten und ihr Recht auf eine selbstständige Gestaltung ihrer Migrationspolitik nicht angetastet werden sollen.
Datenaustausch gegen Betrug
Zu den Maßnahmen, die in dem Dokument aufgelistet sind, zählen Verbesserungen bei der Registrierung von Staatsbürgern in ihren Herkunftsländern sowie beim Austausch biometrischer Daten. Damit soll Identitätsbetrug erschwert werden. Außerdem sollen Vorschriften für Arbeitsvermittler mit internationalen Richtlinien in Einklang gebracht werden. Laut UN gelten weltweit rund 190 Millionen Menschen als Migranten.
Die rechtskonservative Regierung in Wien begründete ihren Ausstieg mit der Sorge, dass Österreich bei einer Unterzeichnung des Dokuments in Zukunft nicht mehr selbst bestimmen könne, wer ins Land kommen dürfe. Es drohe eine Vermischung von legaler und illegaler Migration, von Arbeitsmigration und Asyl, kritisierte Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP). „Die Souveränität Österreichs hat für uns oberste Priorität“, erklärte Vizekanzler HeinzChristian Strache (FPÖ). Österreich hat derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne.
Die Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Alice Weidel, kritisierte den Pakt. „Hier wird faktisch die illegale Migration legalisiert und Einwanderungswilligen aus aller Welt der Schlüssel in unser Sozialsystem in die Hand gelegt“, so Weidel.
Grünen-Politikerin Polat warf AfD und FPÖ vor, sie verbreiteten Verschwörungstheorien über einen vermeintlichen Bevölkerungsaustausch in Europa. Die Werte-Union, eine konservative Plattform in der Union, sprach sich dafür aus, den Pakt nicht ohne Beratung und Beschlussfassung in der Unionsfraktion und im Bundestag zu unterzeichnen.