Schwäbische Zeitung (Biberach)
Zwei Konfessionen, eine Predigt
Die Pfarrer Kaspar Baumgärtner und Ulrich Heinzelmann beleuchten das Thema Kirche
BIBERACH - Der evangelische Pfarrer Ulrich Heinzelmann und der frühere katholische Stadtpfarrer Kaspar Baumgärtner haben sich in St. Martin zu einer Dialogpredigt getroffen. „Ein Traum von Kirche?!“lautete das Thema des Wortwechsels, den zahlreiche Zuhörer verfolgten.
Die Kirche war schon lange Zeit vor dem Gottesdienst voll. Allerdings war der Kanzeltausch der beiden Pfarrer wegen der Renovierungsarbeiten nicht möglich, sodass die beiden Pfarrer am Altar vor dem Mikrofon Aufstellung nahmen. Dieser eher statischen Dramaturgie folgten dynamische, intellektuelle Aktionen. Oben vom Chor ertönten festlich die Posaunen und die Orgel, die Gemeinde sang mit und damit war die Eröffnung des Dialogs der Konfessionen eröffnet.
Kaspar Baumgärtners Abschied, so Heinzelmann zu Beginn, sei durch dessen Krankheit relativ kurzfristig gewesen, sodass sich, nachdem sich der ehemalige Stadtpfarrer erholt hat, ein Wiedersehen am Sonntag angeboten habe. Der Wunsch ging mit der Dialogpredigt in St. Martin in Erfüllung.
Den Ausgangspunkt bildete die biblische Erzählung, in der Samuel träumt, später aber erkennt, dass es Gottes Ruf war, dem er folgen soll.
„Du hast doch sicher Zeit in deinem Ruhestand zu träumen, träumst du, wie Kirche sein müsste?“wandte sich Heinzelmann an Baumgärtner. Das war auch das Thema, aber es sollte nicht nur die Frage, wie die Kirche von morgen aussehen soll, behandelt werden. Es folgte ein Parforceritt durch das aktuelle Geschehen in der Kirche. Dass dieses weite Thema nicht umfänglich behandelt werden konnte, war allen Beteiligten klar.
Mit scherzhaften Äußerungen von Heinzelmann, dass die Evangelischen von den Katholiken erwarten, dass weiter viel Weihrauch, Bischöfe und Kardinäle das Bild der Katholiken prägen würden, ging es am Altar weiter. Dem entgegnete
Baumgärtner: „Du würdest wahrscheinlich von einem wehrhaften Luther, endlosen Predigten und Losungen in allen Taschen träumen.“
Hirte statt Verwaltungsbeamter
Um den Traum, wie die Kirche menschlich sein könnte, ging es auch angesichts von Administration, von Terminnot und viel zu großen Gemeinden. Das alles zu bewältigen, überlagere die vielen seelsorgerischen Aufgaben, schilderte Baumgärtner. „Das wäre doch was, Hirte in einer Gemeinde zu sein und nicht Verwaltungsbeamter eines Großbetriebs.“
Heinzelmann und Baumgärtner skizzierten dann die Situation in der Kirche, die sie als temporären Albtraum
empfinden. Baumgärtner nannte die Situation, wenn die Jugend an religiösen Fragen interessiert sei, aber keinerlei Beheimatung in der Kirche mehr habe. Wenn die Kirche als Worthülse gebraucht werde, als Dienstleister, bei Hochzeiten, Taufen und Beerdigungen, zählten die Pfarrer weitere Beispiele auf. Baumgärtner sprach an der Stelle der Dialogpredigt auch die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche an.
Heinzelmann ging auf den nächsten Komplex ein: „Das Haus, das die Träume verwaltet.“Darin ist Kirche der Ort, der den Träumen Sprache verleihen kann, ein Ort der Erinnerung und Verbindung zum Glauben der Vorfahren. Man könne nicht allein
glauben, Kirche sei der Ort, an dem das Leiden nicht verdrängt werde, es sei der Traum von einem gelingenden und von Gott vollendeten Leben, führte Heinzelmann aus. Baumgärtner sagte, dass man fast nie in der Kirche allein sei, oft sitze jemand da, der an dem Ort der Stille ein Gebet zum Himmel schicke und die eigene Ratlosigkeit eingestehe. „Hier können wir unsere Sorgen abladen und die Dinge abgeben“, so Baumgärtner. „Wir könnten es so einfach wie Samuel machen, auf Gott hören und unser Leben darauf einlassen – ein guter Tipp von Luther“, schloss Heinzelmann die Dialogpredigt. Die Zuhörer in der Stadtpfarrkirche spendeten lang anhaltenden Beifall.