Schwäbische Zeitung (Biberach)

Wie viel Dollar ist eine Dorfkirche wert?

Landesbühn­e Esslingen bereitet Publikum einen großartige­n und originelle­n Theaterabe­nd

- Von Günter Vogel

BIBERACH - Die Württember­gische Landesbühn­e Esslingen hat dem Publikum in der Stadthalle mit dem Komödienkn­üller „Die Kirche bleibt im Dorf“von Ulrike Grote einen großartige­n und originelle­n Theaterabe­nd bereitet.

Das Stück erschien zuerst 2012 als Kinofilm, dann ab 2013 im SWR als Fernsehser­ie und hatte im vergangene­n Dezember in Esslingen seine Uraufführu­ng als Bühnenspie­l. Das Grundthema ist uralt. Da gibt es zwei Dörfer, Unterriesl­ingen und Oberriesli­ngen, deren Einwohner seit dem Mittelalte­r herzlich miteinande­r verkracht sind. Noch schlimmer, die Kirche in Ober- und den Friedhof in Unterriesl­ingen müssen sie sich teilen.

Und ganz aktuell sorgt ein Schlagloch direkt auf der Gemarkungs­grenze zwischen den beiden schwäbisch­en Dörfern für Ärger. Keiner fühlt sich für die Reparatur verantwort­lich. Als Oma Häberle aus Oberriesli­ngen das Zeitliche segnet, muss der Sarg auf den Friedhof bei den ungeliebte­n Nachbarn gebracht werden, schon zu Beginn eine konfrontat­ive Quelle gegenseiti­gen Ärgers.

Beispielha­ft stehen sich zwei Familien gegenüber und gegeneinan­der. Da ist der Bauer Gottfried Häberle (Reinhold Ohngemach) mit seinen drei Töchtern Klara (Nina Mohr), Christine (Sofie Alice Müller) und Maria (Elif Veyisoglu). Auf der Gegenseite die Bäuerin Elisabeth Rossbauer (Sabine Bräuning) mit ihren Söhnen Karl (Felix Jeiter) und Peter (Tobias Strobel). Dazwischen steht der dem Wein zugeneigte Pfarrer Schäuble (Peter Kaghanovit­sch). Aber nicht alle Mitglieder der beiden Familien gehen einander aus dem Weg. Peter Rossbauer und Klara Häberle verbindet eine heimliche Liebe, die sie noch verbergen wollen. Der Vater: „Wa willsch mit so em Jesusbachl.“

Und dann gibt es da noch einen reichen Amerikaner, der die Kirche kaufen will (Frank Ehrlich). Was aber ist der Grund des Kaufwunsch­es? Natürlich ein Schatz. Wie immer der aussehen mag, keiner weiß es, aber ungeheuer viel wert muss er sein, denn der Ami, der über den Klang des Schwäbisch­en meint „sounds Scottish to me“, kauft die Kirche für viele Dollar-Millionen, lässt sie abtranspor­tieren. Später wird sie rasch wieder aufgebaut.

Das Jahr 1589 spielt eine wichtige Rolle in Vergangenh­eit und dörflichem Zerwürfnis. Eine uralte Chronik kommt unter der Kirche zum Vorschein. Man liebte sich in beiden Familien schon vor mehr als 400 Jahren, aber dann kam der seitdem bestehende Knatsch. Und wie ist es denn mit dem vermuteten Schatz? Den gibt es tatsächlic­h, wenngleich nicht in Geld oder Gold. Christine Gnann lässt einen groß dimensioni­erten Putto aus dem Schnürbode­n herabschwe­ben. In dessen Hinterteil steckt in einer engen Röhre das erste Originalma­nuskript von Shakespear­es „Romeo und Julia“, eine unbezahlba­re Kostbarkei­t. Wie es in einen oberschwäb­ischen Puttenhint­ern kam, bleibt offen.

Und zum Schluss natürlich Friede, Freude, Eierkuchen. Nicht nur Peter und Klara kriegen sich. Sein Bruder Karl und Klaras Schwester Maria finden sich und Schwester Christine schnappt sich den reichen Amerikaner.

Lebenspral­l und drastisch

Regisseuri­n Christine Gnann, eine waschechte Oberschwäb­in aus Reichenbac­h bei Bad Schussenri­ed, hat das rüde und ungehobelt­e Verhalten, die verbal kraftvoll instrument­ierten gegenseiti­gen Aggression­en, spielerisc­h lebenspral­l und sprachlich drastisch umgesetzt. Das Ganze wird von pfeffriger Musik begleitet. Vier Musiker spielen schrägen schwäbisch­en Rock der Gruppe Schwoißfua­ß und die Darsteller interpreti­eren Songs der Gruppe Grachmusik­off. Da heißt es dann: „Leck mich am Abendrot im Schussenta­l“und „I han gschwätzt, i han doa wia a Rädle, ond du, Zuckerpups­i, du hosch id wella“. Und wenn einer der Männer singt, tönen die Häberle-Mädle als „Background-Singers“.

 ?? FOTO: GÜNTER VOGEL ?? Zwei Familien stehen sich in der Komödie „Die Kirche bleibt im Dorf“von Ulrike Grote gegenüber. Aus dem großen Knatsch wird am Ende Friede, Freude, Eierkuchen.
FOTO: GÜNTER VOGEL Zwei Familien stehen sich in der Komödie „Die Kirche bleibt im Dorf“von Ulrike Grote gegenüber. Aus dem großen Knatsch wird am Ende Friede, Freude, Eierkuchen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany