Schwäbische Zeitung (Biberach)
Neuer Verein, alte Probleme
Stuttgarts Nationalstürmer Mario Gomez schlittert von einem Chaos ins nächste
STUTTGART (SID/zak) - Es wäre nicht verwunderlich, wenn Mario Gomez den Überblick verlieren würde. Andries Jonker und Martin Schmidt beim VfL Wolfsburg, dann Hannes Wolf und jetzt Tayfun Korkut beim VfB Stuttgart – der Nationalstürmer muss sich diese Saison alle paar Wochen an neue Trainer gewöhnen und schlittert von einer Vereinskrise in die nächste. Dabei hat Gomez genug damit zu tun, selbst in Tritt zu kommen.
Wenn der 32-jährige Unlinger am Samstag (15.30 Uhr/Sky) mit dem VfB bei den Wölfen antritt, ist das Duell für Stuttgart von „überragender Bedeutung“, wie Sportvorstand Michael Reschke schon vor dem umstrittenen Trainerwechsel von Wolf zu Korkut betonte. Auf Gomez wird es nicht nur bei seinem Ex-Verein ankommen, besonders von seinen Leistungen hängt ab, ob die Bundesliga-Rückkehr des VfB von Dauer ist.
In Wolfsburg hat Gomez im Vorjahr geschafft, was in der alten Heimat erneut verlangt wird. Seine Treffer sollen den Abstieg verhindern. Weil ihm das bei den Norddeutschen so gut gelang, wird der Torjäger am Samstag offiziell vom VfL verabschiedet. „Mario genießt ein sehr hohes Ansehen“, sagte VfL-Sportdirektor Olaf Rebbe über den Ex-Kapitän.
17 Tore für den Klassenverbleib, darunter ein entscheidendes in der Relegation gegen Braunschweig, erzielte Gomez. Aber auch weil es in der Hinrunde dieser Spielzeit nicht so weiterging, reifte in Gomez der Gedanke an eine Veränderung. „Ich hatte in Wolfsburg zu viele Schulterklopfer, egal wie ich gespielt habe“, sagte Gomez Anfang Januar im VfB-Trainingslager. Mancher legte ihm das als Kritik am Ex-Verein aus. Rebbe betonte aber: „Wir als Klub und unsere Fans werden ihm den verdienten Respekt entgegenbringen.“
Wesentlicher ist für den 71-maligen Nationalspieler ohnehin die Gegenwart beim VfB, denn nicht zuletzt durch den eisigen Empfang des Anhangs für Wolf-Nachfolger Korkut ist der Druck enorm. Der VfB muss auch zeigen, dass Gomez' Worte nach dem 0:2 gegen Schalke, das Wolf den Job kostete, sich nicht als Lippenbekenntnisse erweisen: „Wenn wir so auftreten wie in der zweiten Halbzeit, dann werden wir sicher nicht absteigen.“
Diese Überzeugung tragen in Stuttgart alle vor sich her, vor zwei Jahren war es ähnlich, es folgte dennoch der Abstieg. Ein Mentalitätsproblem stellt sich diesmal aber nach Gomez' Ansicht keineswegs. „Diese Frage geht mir auf die Eier, ich kann diese Diskussion nicht nachvollziehen“, machte er deutlich. Wille und Aggressivität seien vorhanden. Allerdings outete sich Gomez nach dem SchalkeSpiel auch als strikter Gegner eines Trainerwechsels.
Anders als beim VfL kämpft Gomez nicht nur gegen den Abstieg an, er kämpft auch für eine WM-Nominierung. Mit der Rückkehr ins Ländle war die Hoffnung verbunden, sich mit frischem Elan für Bundestrainer Joachim Löw zu empfehlen. Soll dieser Traum sich erfüllen, muss das Erfolgsrezept ausgerechnet von Löw-Kumpel Korkut kommen und Gomez die bitter nötige Treffsicherheit verleihen. Idealerweise schon am Samstag.
Stuttgart ist gespalten
Scheitert der VfB auswärts wie bis dato fast immer (ein Remis, neun Niederlagen), dürfte die Luft vor allem für den Vorstand noch dünner werden vor dem folgenden Heimspiel gegen Gladbach. Die Entlassung Wolfs und die Installation Korkuts, der auf seinen bisherigen Stationen Leverkusen (1,00 Punkte im Schnitt), Kaiserslautern (2. Liga/1,12) und Hannover (1,15) alles andere als Erfolg hatte, habe den VfB „in kürzester Zeit tiefer gespalten, als ein Gletscher Ähnliches in den Alpen je hätte schaffen können“, schrieb der „kicker“. Der Volkszorn richtet sich vor allem gegen Reschke und Präsident Wolfgang Dietrich.
Auch Ex-Trainer Huub Stevens, der den VfB zweimal vor dem Abstieg rettete, hat kein Verständnis für die Trennung von Wolf. „Wenn es eine Phase gibt, in der es nicht so läuft, muss man den Trainer unterstützen. Ich verstehe nicht, was Stuttgart nun macht. Ich dachte, sie haben mit Wolf und Reschke nun Ruhe im Verein. Das ist nicht der VfB, den ich nach der Rückkehr in die erste Liga erwartet hatte.“
Korkut hielt sich zu all dem zurück: „Ich halte viel von Arbeit, von Vorbereitung, von Einstellung, Hartnäckigkeit. Das sind Sachen, die ich einbringen will“, sagt der 43-Jährige. Verständlich – auch für ihn dürfte es die letzte Chance sein, im deutschen Fußball noch anzukommen.