Schwäbische Zeitung (Biberach)
Die zarteste Versuchung, seit es Kriminelle gibt
Schokolade - nach Bitcoin die neue Währung? Warum sonst sollte jemand gleich zwei Lastwagenladungen der süßen Last klauen wie dieser Tage im Schwarzwald? Zum Allein-Essen und An-Freundeund-Familie-Verschenken sind 44 Tonnen nämlich doch ein bisschen viel, selbst wenn die Täter bis ans Lebensende abgelaufene Schokolade verschenken würden.
Nein, nein, dahinter steckt etwas anderes: Die Diebe haben durchaus taktisch gedacht. Schokolade ist völlig unauffällig, noch dazu legal und gesellschaftlich anerkannt. Und trotzdem hat das süße Zeug kriminelles Potenzial. Nicht umsonst wird sie schon bei Kindern als Druckmittel genutzt, dient auch Erwachsenen zur Bestechung. Zudem hat die dunkle Masse aufhellende Wirkung bei mies gelaunten Menschen. Und sie hilft unterzuckerten Zeitgenossen, wieder auf Touren zu kommen, ist also auch medizinisch relevant. Und die Abnehmpillenindustrie hat Interesse daran, den Absatz auf einem Hoch zu halten. Nachdem alles, was Straßendealer in den Bahnhofsumfeldern dieses Landes üblicherweise verhökern, ziemlich verboten und gefährlich ist, könnte sich Schokolade als Alternative durchsetzen. Man sieht sie schon vor sich, die heimlichen Händler, die verschwörerisch zarten Schmelz und hohen Kakaoanteil anpreisen und die Bio-Fair-Trade-Tafel unauffällig aus dem Jackenärmel ziehen – zu Preisen, mit denen kein Discounter mithalten kann. Allerdings wäre diese Art von Schokoladenhandel nichts für die Sommerzeit. Denn bei über zehn Grad sehen die Schokodealer ziemlich schnell aus wie durch den Kakao gezogen.
Einen der beiden Lastwagen hat die Polizei übrigens ausfindig gemacht – voll beladen. Wahrscheinlich war es Marzipanschokolade. Die mag ja fast niemand. (apa)