Schwäbische Zeitung (Biberach)
Mit alten Tricks zu alter Stärke
Heynckes hat kein Wunderteam geformt, aber seine Bayern können nun ein solches schlagen
MÜNCHEN - Man stelle sich nur mal kurz vor, ein anderer Trainer des FC Bayern München, womöglich der Vorgänger von Jupp Heynckes, hätte bei diesem Prestigespiel gegen das bis dahin durch die Champions League marschierte Paris Saint-Germain auf Säulen der Mannschaft wie Thomas Müller, Arturo Vidal, Javi Martínez oder auch Jérôme Boateng verzichtet.
Doch das, was Carlo Ancelotti nach dem Hinspiel in Paris, nach jenem sang- und klanglosen 0:3, den Job kostete, brachte Jupp Heynckes den bisher größtem Triumph seiner vierten Amtszeit beim Rekordmeister. Beim in allen Belangen großartigen 3:1 (2:0) der Bayern über alles andere als schwach spielende Pariser ging Heynckes’ Rotation voll auf. Der 72-Jährige gönnte ein paar müden oder noch leicht angeschlagenen Stars wie Müller, Boateng und seinem Lieblingsschüler Martínez eine Pause, er zeigte dem zuletzt wiedererstarkten Vidal, dass er sich seines Stanmplatzes ja nicht zu sicher sein sollte – und setzte zudem auf einen der ältesten Motivationstricks, seit es Europapokalspiele gibt.
In diesem Fall lautete er: Lass gegen Franzosen deine Franzosen spielen! Franck Ribéry brillierte bei seinem Startelfcomeback nach langer Verletzungspause als Kapitän ebenso wie Kingsley Coman mit seinen unwiderstehlichen Temposprints und der herausragende Mittelfeldrenner und doppelte Torschütze Corentin Tolisso. „Die Leistung unserer Franzosen war besonders erfreulich“, sagte Heynckes.
„Wir sind da!“, sagte Sportdirektor Hasan Salihamidzic. Heynckes formulierte diesen recht offensichtlichen Sachverhalt etwas ausführlicher: „Ich habe ja gesagt, dass der FC Bayern eine große Historie im Europapokal und in der Champions League hat. Mit dem Spiel haben wir untermauert, dass wir nach wie vor nicht nur wettbewerbsfähig sind,
sondern dass wir eine gute Mannschaft und Ambitionen haben.“
Zumindest am Dienstag erfüllten die Bayern mit dem Triple-Trainer von 2013 die Hoffnungen, die die Club-Verantwortlichen in die Installierung Ancelottis gesetzt hatten. Die Idee von Vorstandschef KarlHeinz Rummenigge, Präsident Uli Hoeneß und Co war ja gewesen, der nach den drei fordernden, aber ungemein fruchtbaren Jahren unter Pep Guardiola etwas müden und generell leicht überalternden Mannschaft durch die Verpflichtung des gutmütigen und verständnisvollen Carlo Ancelotti das Alltagsgeschehen so angenehm wie möglich zu machen – um dann in den wichtigen Spielen voll da zu sein. Jedoch entpuppte sich Ancelotti, der Mister-Feelgood unter den Trainern, als zu verständnisvoll, als zu wenig fordernd für die an den permanent getriebenen Pedanten Guardiola – und zuvor den
zwar stets freundlichen, aber angemessen strengen Trainer-Routinier Heynckes – gewöhnte Mannschaft.
Das Kollektiv funktioniert
Heynckes hat Spieler wie Coman, Tolisso, James oder dem erneut herausragend haltenden Ersatztorwart Sven Ulreich fraglos besser gemacht. Doch Heynckes hat in den letzten Wochen aus der Truppe – der Superbilanz von elf Siegen aus zwölf Spielen zum Trotz – sicher nicht wieder jene in ganz Europa gleichzeitig bewunderte und gefürchtete Mannschaft der ersten Hälfte dieses Jahrzehnts gemacht.
Das Spiel der Bayern war auch gegen das von Katar alimentierte PSG am Dienstag weder genial, noch stilbildend. PSG zuzusehen, macht ohne Zweifel mehr Spaß. Die Bayern haben keine Fußballer gewordene Attraktion wie Kylian Mbappé in ihren Reihen, dessen geschmeidigen Bewegungen und scheinbar ansatzlosen Sprints und Richtungswechseln zusehen zu dürfen alleine schon das Eintrittsgeld wert wären. Aber der FC Bayern kann eben immer noch, und das ist die wichtigste Lehre des Dienstags, auch eine vor allem in der Offensive übertalentierte Mannschaft wie Paris Saint-Germain (oder „Sainggermain-Paris“, wie Heynckes immer wieder ebenso herrlich altertümlich sagte) völlig verdient vernichtend schlagen. Weil es im Fußball eben nicht nur auf den Wow-Effekt ankommt. Weil aber auch, wie Tolisso, der nach dem Führungstor von Robert Lewandowski nach zwei äußerst druckvollen Sturmläufen wuchtig das 2:0 und 3:1 erzielte, richtigerweise anmerkte: „Wir haben ein großes Spiel gemacht. Wir sind eine große Mannschaft. Wenn wir uns körperlich durchsetzen, wenn wir taktisch und technisch gut spielen, dann ist es sehr schwer gegen uns.“