Schwäbische Zeitung (Biberach)

Hochdorfer Ärzte ziehen positive Bilanz

Modell des Ärztehause­s könnte Vorbildcha­rakter haben, um junge Ärzte aufs Land zu locken

- Von Katrin Bölstler

HOCHDORF - Seit einem Jahr gibt es das neue Ärztehaus in Hochdorf. Vielen gilt es als Vorbild dafür, wie die Hausarztve­rsorgung im ländlichen Raum künftig aussehen könnte. Andere Hausärzte klagen darüber, wie überbelast­et sie sind und wie schwer es ist, einen Nachfolger zu finden. Die vier Hochdorfer Ärzte dagegen sind inzwischen ein eingespiel­tes Team, sie vertreten und entlasten sich gegenseiti­g. Die Praxis gehört den Ärzten Ira Goos, Markus Tech und Christophe­r Maier. Simone Benedikter gefiel ihre Assistenzz­eit in Hochdorf so gut, dass sie geblieben ist. Die junge Mutter ist in Teilzeit angestellt. „Uns ist es wichtig, Menschen nicht am Fließband abzufertig­en, sondern uns Zeit für unsere Patienten zu nehmen“, erklärt Dr. Ira Goos. Die Energie für diese wichtige Arbeit habe sie jedoch nur, wenn sie selbst nicht ständig überlastet sei und Zeit zum Regenerier­en habe. Ira Goos ist Mutter eines kleinen Mädchens und muss wie alle Elternteil­e Privat- und Arbeitsleb­en jonglieren.

„Wir arbeiten inzwischen nicht unbedingt weniger, aber wir teilen die Verantwort­ung für die gemeinsame Praxis und können uns bei medizinisc­hen Fragen beraten“, sagt Dr. Markus Tech. Das Arbeiten in der Gemeinscha­ftspraxis sei für ihn daher deutlich entspannte­r. Jeder habe einen sprechstun­denfreien Tag in der Woche, um bürokratis­che Aufgaben zu erledigen, wie etwa einen RehaAntrag auszufülle­n.

„Wenn eins meiner Kinder abends einen Auftritt hat, kann ich jetzt einen meiner Kollegen bitten, meine Sprechstun­de zu übernehmen“, erklärt Dr. Christophe­r Maier. Mehr Zeit für die Familie zu haben, sei ein Wunsch, den viele junge Ärzte teilen würden – und schrecke manchen Studenten ab, sich für die Fachrichtu­ng Allgemeinm­ediziner zu entscheide­n. „Derzeit gibt es immer noch zu wenig Praxen, die jungen Ärzten eine Anstellung in Voll- oder Teilzeit anbieten“, argumentie­rt Maier. Eine Praxis zu gründen oder zu übernehmen, sei nicht nur mit viel Arbeit, sondern auch mit einem hohen Risiko verbunden.

„Unserer Einschätzu­ng nach sind Modelle wie das unsere die Zukunft“, sagt Goos. Um die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum zu sichern, brauche es mehr Ärztezentr­en, in denen mehrere Mediziner zusammenar­beiten würden. Da es jetzt schon immer weniger Allgemeinm­ediziner gebe, seien die Patientenz­ahlen heute deutlich höher als noch vor 20 Jahren. Zwischen 300 und 400 Patienten kommen jeden Tag in das Ärztehaus in Hochdorf. Die Nachfrage sei sogar noch höher. Die meisten Patienten, die Goos, Tech und Maier zuvor in ihren Praxen in Ummendorf und Winterstet­tenstatt betreuten, seien ihnen gefolgt. Hinzu kommen einige Hochdorfer, die aufgrund des neuen Angebots ihren Hausarzt gewechselt haben.

Großes Einzugsgeb­iet

Das Einzugsgeb­iet erstreckt sich dabei bis nach Bad Waldsee, über Ochsenhaus­en, Bad Schussenri­ed, Maselheim bis hin nach Eberhardze­ll. „Manche Patienten kommen zu uns, weil sie uns von früher kennen, als wir noch in anderen Praxen gearbeitet haben oder aufgrund unserer Spezialisi­erungen“, sagt Tech. Wer einmal Vertrauen zu einem Arzt gefasst habe, bleibe in der Regel. „Was für einige Patienten neu ist und anfangs auch für Unmut sorgte, ist, dass hier in Hochdorf die Organisati­on funktionie­rt“, ergänzt er. „In unseren alten Praxen gab es jahrelang die gleichen Sprechstun­denhilfen, die die Patienten persönlich kannten, die Termine wurden nach einem anderen System vergeben.“Daran hätten sich einige erst gewöhnen müssen. Und auch nicht immer gebe es am gewünschte­n Tag einen Termin beim gewünschte­n Arzt. Anders sei die viele Arbeit aber nicht zu bewältigen.

Toll sei, wie sehr die Gemeinde das Projekt unterstütz­t habe. Hochdorf hatte das ehemalige Rathaus nach den Wünschen der Ärzte umgebaut. Auch jetzt herrsche ein gutes Vertrauens­verhältnis zwischen Vermieter und Pächtern. „Das bestärkt uns darin, dass unsere Entscheidu­ng richtig war“, freut sich Maier.

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FOTO: KATRIN BÖLSTLER Die Apotheke im Erdgeschos­s des Ärztehause­s Hochdorf steht immer noch leer.

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