Schwäbische Zeitung (Biberach)
Kellys Himmelfahrtskommando
Der neue Stabschef muss das Weiße Haus befrieden – und Trump disziplinieren
- Bevor der Vier-Sterne-General John Kelly vergangenes Jahr nach mehr als vier Jahrzehnten den Dienst in der Marineinfanterie quittierte, überlegte er, was danach für ihn kommen würde. Was er am meisten fürchte, sagte der damals 65Jährige dem Branchendienst Defense One, sei, dass man ihm einen Vollzeitjob in der Regierung anbiete. „Ich möchte lieber keiner von denen sein, die jeden Tag nach Washington kommen.“
Kellys Wunsch hat sich nicht erfüllt. Erst hat ihn US-Präsident Donald Trump zum Heimatschutzminister gemacht, und nun rückt der pensionierte General ins Zentrum der Macht auf. Heute wird er das Eckbüro des Stabschefs im West Wing des Weißen Haus beziehen, nachdem Trump den bisherigen Amtsinhaber Reince Priebus rausgemobbt hat.
Der notorisch sprunghafte Trump mag Generäle, in seinem Kabinett dienen nun drei hochdekorierte ExSoldaten. Der 67-jährige Kelly, der einen Sohn im Afghanistaneinsatz verloren hat, ist Militär bis auf die Knochen: diszipliniert, ruppig – und gewohnt, dass man ihm gehorcht.
Tief im Morast
Nach Meinung vieler Beobachter also genau das, was diese Chaos-Administration dringend braucht. Der „wahre Star“(Trump) soll nun schaffen, woran sein als schwach geltender Vorgänger gescheitert ist: eine schlagkräftige Truppe aufzustellen, die geschlossen für ihren Oberbefehlshaber kämpft. Denn Trump steckt tief im Morast. Seine Gesetzgebungspläne wie die Gesundheitsreform kommen nicht voran, die Russen-Affäre wird er nicht los, und das Weiße Haus ist zum Schauplatz rivalisierender Banden geworden.
Viele trauen Kelly, dessen Berufung zum Heimatschutzminister auch viele Demokraten unterstützt hatten, die Mission zu. „Der erträgt keine Idioten und Dummköpfe“, sagte ein langjähriger Freund der „Washington Post“. An der Loyalität seines neuen Stabschefs dürfte Trump keine Zweifel hegen, obwohl dieser keiner der alten Bekannten des ExImmobilienmoguls ist. Zwar scheut sich Kelly nicht, auch mal eine eigene Meinung zu vertreten. Aber in den sechs Monaten an der Spitze des Heimatschutzministeriums ist er strikt auf Linie geblieben. Er hat den umstrittenen Einwanderungsbann für Muslime verteidigt. Und er lässt seine Behörden mit Härte gegen illegale Einwanderer vorgehen.
Der Job, der nun vor dem kantigen General liegt, ist allerdings anders. Traditionell gehört zur Stellenbeschreibung eines Stabschef, dass er als eine Art Türsteher des Oval Office fungiert. Er entscheidet darüber, wer dem Präsidenten was zu Ohren bringt. Doch der sprunghafte Trump arbeitet anders. Bei ihm geht aus und ein, wer gerade in seiner Gunst steht. Tochter Ivanka und Schwiegersohn Jared Kushner sowieso, immer seltener Chefstratege Stephen Bannon, dafür neuerdings Kommunikationsdirektor Anthony Scaramucci, der sich brüstet, direkt an Trump zu berichten. Kelly muss sich nun nicht nur intern durchsetzen, er muss im neuen Hauptstadt-Job auch politisches Gespür beweisen.
Kelly sei „ein wahrer Star meiner Administration“hat Trump am Freitag nach der Personalrochade noch aus dem Flugzeug heraus getwittert. Das allerdings klingt sehr bekannt. „Ich sage Ihnen, Reince ist wirklich ein Star“hatte der Präsident in der Nacht seines Wahlsieges auch über Priebus gesagt. Dann hat er ihn selbst demontiert.
„Kelly ist eine unglaubliche disziplinierte Person, die Ordnung in die Sache bringen kann, wenn die Tiere im Zoo sich benehmen“, glaubt der frühere CIA-Vize John McLaughlin, der selbst unter sieben US-Regierungen gearbeitet hat. „Sein Risiko ist, dass Trump Trump bleibt.“