Schwäbische Zeitung (Biberach)
Linde und Praxair widersprechen Zweifeln
Gasekonzerne weisen Befürchtungen vor einem massiven Stellenabbau zurück
- Linde und Praxair haben Befürchtungen vor einem massiven Stellenabbau durch den Zusammenschluss der beiden Gasekonzerne entschieden zurückgewiesen. PraxairChef Steve Angel, der den neuen Konzern führen soll, sagte: „Der Anlagenbau wird viel mehr Arbeit bekommen.“Nach langen Verhandlungen haben die Vorstände von Linde und Praxair den Fusionsvertrag unterzeichnet. Die Genehmigung der Kartellbehörden steht noch aus.
Linde-Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle sagte: „Durch diesen Merger (Zusammenschluss) werden weniger Arbeitsplätze in Deutschland abgebaut.“Linde beschäftigt in Deutschland 8000 Mitarbeiter, davon fast die Hälfte im Anlagenbau. Statt geplanter 2000 Stellen streiche Linde nur noch 950 Stellen, gebe eine Beschäftigungsgarantie bis 2021 und erhalte den Standort Dresden, sagte Reitzle. Bisher habe Praxair seine Anlagen von Ingenieurfirmen in den USA bauen lassen – jetzt werde der Linde-Anlagenbau mit seinen bisher 7000 Beschäftigten neuer Hauptlieferant, erklärte Angel.
Mit dann 27 Milliarden Euro Umsatz, 66 Milliarden Euro Börsenwert und 80 000 Mitarbeitern würde der neue Gasekonzern den französischen Konkurrenten Air Liquide als Weltmarktführer ablösen. Linde und Praxair erwarten Synergien von 1,1 Milliarden Euro jährlich.
Der Linde-Aufsichtsrat hatte die Fusion am Donnerstagabend besiegelt. Fünf Arbeitnehmervertreter im paritätisch besetzten Aufsichtsrat stimmten gegen den Zusammenschluss, der sechste Vertreter ließ das Projekt passieren. Der „Konsens“sei am Donnerstag „hergestellt“worden, behauptete Reitzle. Der bayerische IG-Metall-Chef Jürgen Wechsler befürchtet den Wegfall von bis zu 10 000 Stellen. Reitzle sagte, die Mitbestimmung werde durch die Ansiedlung der Konzernholding in Irland verloren gehen: „Ja, das ist so.“Aber Wechsler habe sich verrannt, Befürchtungen vor einem massiven Stellenabbau seien „komplett absurd“.
Konzernführung in den USA
Linde-Chef Aldo Belloni sagte, er habe am Morgen mit Angel an einer Betriebsversammlung im größten Linde-Werk Pullach teilgenommen, und sie hätten sogar Applaus bekommen. Auch der Standort Leuna sei sicher: „Leuna ist der beste Standort in der Linde-Gasewelt. Er wird selbstverständlich weitergeführt und erweitert werden.“
Angel soll den Konzern vom bisherigen Praxair-Standort Danbury in den USA aus führen. Für den neuen Konzernvorstand bleiben Linde-Europachef Bernd Eulitz und Anlagenbau-Chef Christian Bruch in München sowie Linde-Asienchef Sanjiv Lamba in Singapur. „Wir werden effizienter und produktiver werden“, sagte Angel. Kartellauflagen erwartet Angel vor allem in Amerika, wo der neue Konzern fast die Hälfte seines Geschäfts macht. „Wir werden uns von Geschäftseinheiten trennen müssen“, sagte Belloni. Es brauche die Genehmigung von weltweit 25 Kartellbehörden.
Die Linde- und die Praxair-Aktionäre sollen je die Hälfte der Anteile am neuen Konzern bekommen. Das Umtauschangebot für die Linde-Aktionäre soll im Herbst starten. Bei einer Annahmequote unter 75 Prozent könnte die Fusion noch platzen. Der Abschluss des Geschäfts wird Ende 2018 erwartet. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz kündigte eine Feststellungsklage an. Reitzle wies das Begehren, eine Sonder-Hauptversammlung anzusetzen, zurück. Das angestrebte Vorgehen, nach welchem die Fusion nur zustande kommt, wenn 75 Prozent der Linde-Aktien zum Kurs von 1,54 Euro gegen Aktien des neuen Unternehmens eingetauscht werden, sei „wahre Aktionärsdemokratie“, meinte Reitzle.
Am Freitag zog Linde zudem einen Milliarden-Auftrag in Russland an Land. In dem geplanten Anlagenkomplex in der russischen Teilrepublik Tatarstan sollen Ausgangsstoffe für die Kunststoffherstellung produziert werden. Sie soll 2022 in Betrieb gehen. Das Auftragsvolumen liegt bei rund einer Milliarde Euro. Linde setzt außerdem auf Folgeabkommen.