Schwäbische Zeitung (Biberach)
Generalsekretär Heil macht SPD Mut
Der neue SPD-Generalsekretär Hubertus Heil über die Wahlstrategie und die Chancen seiner Partei
BERLIN (rabu) - Hubertus Heil, der neue Generalsekretär der SPD, glaubt trotz schlechter Umfragewerte an einen Sieg der Genossen bei der Bundestagswahl im September. Im Interview mit der „Schwäbischen Zeitung“sagte Heil: „Wir arbeiten dafür, dass Martin Schulz Bundeskanzler wird.“Es gehe unter anderem um soziale Gerechtigkeit, um wirtschaftlichen Erfolg und die Überwindung der Krise Europas. Hier habe der SPD-Kanzlerkandidat „die besseren Rezepte“.
BERLIN - Hubertus Heil wurde am Mittwoch zum neuen SPD-Generalsekretär. Im Interview mit Rasmus Buchsteiner sagt der 44-Jährige, wie er seinem Kanzlerkandidaten Martin Schulz mit dem Thema Gerechtigkeit zum Wahlsieg verhelfen will.
Der Hype um SPD-Kanzlerkandidat Schulz ist vorüber, der Abstand zur Union in den Umfragen zweistellig: Jetzt sollen Sie helfen, das Blatt zu wenden. Wie schwer ist die Last auf Ihren Schultern?
Viel Vorbereitungszeit hatte ich jedenfalls nicht, da es aufgrund der tragischen Erkrankung Erwin Sellerings, den ich persönlich gut kenne und schätze, zu den personellen Veränderungen kam. Ich kenne die Größe der Aufgabe. Aber ich weiß auch, was ich kann.
Zwischenzeitlich lag die SPD in den Umfragen vor der CDU – was ist zuletzt schiefgelaufen?
Vor uns liegen 115 Tage Wahlkampf. Wir können uns jetzt keine monatelangen Fehleranalysen erlauben. Die Niederlage in Nordrhein-Westfalen war für uns ein schwerer Schlag, aber die SPD hat sich nicht unterkriegen lassen. Und: Unsere Werte sind jetzt noch sehr viel besser als zu Beginn des Jahres. Die Entscheidung fällt auf den letzten Metern, in der heißen Phase des Wahlkampfs.
Angela Merkel spielt ihren Amtsbonus aus, punktet mit internationalen Auftritten. Wie kann Martin Schulz der Kanzlerin da noch den Schneid abkaufen?
Entscheidend wird sein, wem die Menschen zutrauen, Deutschland nach der Bundestagswahl mit den richtigen Konzepten zu führen. Martin Schulz oder Angela Merkel? In der Innen-, Außen- und Europapolitik gibt es klare Differenzen. Es geht um soziale Gerechtigkeit, um wirtschaftlichen Erfolg, um Deutschlands Verantwortung für den Frieden in der Welt und die Überwindung der Krise Europas. Da hat Martin Schulz klar die besseren Rezepte und die größere Leidenschaft.
Mal hat der Kanzlerkandidat mit Rot-Rot-Grün geflirtet, mal mit der Ampel – was gilt denn nun?
Wir werden am 25. Juni in Dortmund unser Regierungsprogramm für Innovation und Gerechtigkeit beschließen. Wer mit uns nach der Wahl koalieren will, muss auf uns zukommen. Wir kämpfen für eine starke SPD und führen keinen Koalitionswahlkampf.
Noch einmal Juniorpartner in einer Großen Koalition ist für die SPD ausgeschlossen?
Wir arbeiten dafür, dass Martin Schulz Bundeskanzler wird. „Was wäre wenn“interessiert mich nicht.
Wird es für die SPD reichen, allein die soziale Gerechtigkeit ins Schaufenster zu stellen?
Gerechtigkeit bleibt ein zentrales Thema. Dabei geht es unter anderem auch um Verteilungsgerechtigkeit. So müssen wir für eine gerechtere Finanzierung der Krankenbeiträge sorgen, bei der Arbeitnehmer und Arbeitgeber wieder dasselbe zahlen. Die SPD wird aber auch die Frage nach Leistungsgerechtigkeit stellen. Bildungschancen dürfen weder von sozialer Herkunft noch vom Wohnort abhängen. Was zählen muss, sind Talent und Leistung.
Wird Martin Schulz ein Kompetenzteam präsentieren?
Es wird kein Kompetenzteam im klassischen Sinne geben. Martin Schulz ist unsere Nummer 1. Daneben haben wir viele Frauen und Männer, die glaubwürdig und kompetent für Themen stehen und die alle Martin Schulz unterstützen werden. Aber das muss man nicht unbedingt gleich mit Porträtfotos abbilden.
Seit Otto Schily gab es bei der SPD in der ersten Reihe keinen Politiker, der für eine harte Linie bei der Inneren Sicherheit steht. Nun hat Kanzlerkandidat Schulz ein ZehnPunkte-Programm beschlossen. Ist das nicht etwas spät?
Sicher zu leben und sich sicher zu fühlen, ist ein soziales Bürgerrecht. Dafür haben wir immer gekämpft. Der beste Schutz vor Kriminalität, Gewalt und Extremismus ist neben einem handlungsfähigen Staat und einer gut ausgestatteten Polizei und Justiz eine solidarische Bürgergesellschaft …
Mehr Polizei, mehr Videoüberwachung, eine stärkere europäische Kooperation – das findet sich auch in den Forderungskatalogen der Union. Wie grenzt sich die SPD beim Thema Innere Sicherheit ab?
Schärfere Gesetze sind kein Selbstzweck. Die CDU/CSU stellen seit 2005 den Bundesinnenminister. Sie hat die Bundespolizei durch übermäßiges Sparen und Personalabbau geschwächt. Wir haben dafür gesorgt, dass die Stellen wieder aufgestockt werden – in einem ersten Schritt um 3500. Wir müssen dafür sorgen, dass die geltenden Gesetze eingehalten werden. Nur reiche Leute können sich einen schwachen Staat leisten. Die überwiegende Mehrheit kann es nicht. Bei der Union wird mir angst und bange: Würden ihre gigantischen Steuersenkungsversprechen Wirklichkeit, wäre unser Staat nicht mehr handlungsfähig. Auch bei der Inneren Sicherheit. Wir setzen auf mehr Polizei und staatliche Förderung für einen besseren Einbruchschutz.