Schwäbische Zeitung (Biberach)
Im Milchgeschäft hat es gefunkt
Anita und Anton Rack feiern heute Gnadenhochzeit, seit 70 Jahren sind sie verheiratet
- Es war 1943 in Heckenbeck bei Bad Gandersheim im Harz. Der damals 18-jährige Donauschwabe Anton Rack war ein Jahr zuvor dorthin gekommen und arbeitete in einer Molkerei. Die damals 18-jährige Anita, die als Kindermädchen arbeitete, kam in das dazugehörige Geschäft, um Milch einzukaufen. Man lernte sich kennen, verliebte sich, 1946 wurde geheiratet. Die Braut war im schwarzen Kleid; ihr Vater und ihr Bruder waren im Krieg gefallen.
Nach der Eheschließung arbeitete Anton bei der Bundesbahn, und sie betrieben eine kleine Nebenerwerbs-Landwirtschaft. Sechs Kinder bekam das Ehepaar. Die vier Mädchen und zwei Jungen sind heute zwischen 63 und 70 Jahre alt, leben in Hamburg, Amsterdam, Heilbronn, Dortmund und in Biberach. 14 Enkel, der älteste inzwischen 51 Jahre, und neun Urenkel vervollständigen die große Familie, unsere „Sippe“, wie das Paar es nennen.
1952 zogen sie nach Dortmund. Anton arbeitete als Bergmann. In den ersten Jahren dort träumte er davon, in die USA auszuwandern. Anitas konsequenter Protest verhinderte das. Ebenso ging es ihm mit seiner europäischen Idee, nach Schweden zu gehen.
Nach 14 Jahren unter Tage kam die Kohlenkrise. Bergleute waren nicht mehr gefragt. Da verwirklichte er sich einen Traum: Er wollte Krankenpfleger werden, machte eine gründliche Ausbildung für diesen Beruf, schloss mit dem Staatsexamen ab. Durch Empfehlung von Freunden bewarb er sich am Kreiskrankenhaus in Biberach und wurde 1973 dessen erster männlicher Krankenpfleger. 14 Jahre arbeitete er auf der Intensivstation. Sein letzter Chef dort war Professor Egon Lanz. Seine letzten vier Berufsjahre war er noch auf der Orthopädie und der Hals-Nasen-Ohren-Station tätig. Als Mitglied der Gewerkschaft ÖTV war Anton 14 Jahre Personalrat in der Klinik. So manchen Strauß habe er mit dem damaligen Landrat Wilfried Steuer ausgefochten, erzählt er.
Wichtigstes Hobby beider war Stricken, mit dem Anton den mitunter heftigen beruflichen Stress ausglich. Er stickte auch Gobelins und malte anmutsvolle Blumen- und Landschaftsbilder in Öl. Mit 88 Jahren gab er seinen Führerschein ab: „Man fällt in ein Riesenloch, ist wie
BIBERACH
paralysiert. 40 Prozent Lebensqualität geht verloren“, erinnert er sich. Beide reisten viel und gerne, bevorzugt an die Nordsee und in die Schweiz. In den späteren Jahren orientierte man sich nach dem Bayerischen Wald und zuletzt in die Toscana.
Antons Gesundheitszustand ist sehr gut; Anita war in den letzten zwei Jahren häufig im Krankenhaus. In der Klinik in Ulm wurde sie ganztägig von ihrem Mann gepflegt, der dazu vier Wochen in einem Hotel lebte. Bei ihrer Entlassung wurde das Ehepaar von der Klinikleitung mit dem respektvollen Satz verabschiedet: „Herr Rack, Sie haben eine Vollkraft ersetzt.“
Das gilt für das ganze Leben
Da Anita wegen ihrer Gehbehinderungen nur sehr eingeschränkt beweglich ist, macht ihr Mann sowohl den Haushalt als auch den Garten, gut unterstützt von der im Haus lebenden Schwiegertochter. Anton: „Wir haben uns bei unserer Heirat das Versprechen gegeben, in guten wie in schlechten Zeiten zusammenzustehen. Das gilt solange wir leben.“Und das gilt für die ganze Familie, wie die Tochter bestätigt: „Wir haben alle ein exzellentes Verhältnis miteinander.“
Und Antons Antwort auf die Frage nach dem größten Wunsch: „Die Kronjuwelenhochzeit.“Das sind 75 Ehejahre.
ANZEIGE