Schwäbische Zeitung (Biberach)
Ein erster Kompromiss
Auch nach der Einigung zwischen VW und den US-Behörden bleiben viele Fragen offen
(dpa) - Es ist ein Fortschritt, aber noch lange kein Befreiungsschlag: Um in den USA wieder auf die Beine zu kommen, wird Europas größter Autobauer wegen des Abgas-Skandals den Rückkauf eines großen Teils seiner dort knapp 600 000 manipulierten Dieselfahrzeuge anbieten müssen. Ein Rückruf mit Nachbesserungen in der Werkstatt reicht nicht. Zudem muss Volkswagen betroffenen Besitzern „substanziellen Schadenersatz“zahlen. Das ist der Kern eines ersten Kompromisses zwischen VW und den US-Behörden, den der zuständige US-Richter Charles Breyer am Donnerstag als einen Meilenstein billigte. Allerdings bleiben eine Menge Fragezeichen.
Details und Summen zu der Lösung sind noch unklar. Bis zum 21. Juni – einen Tag vor der VW-Hauptversammlung – hat Richter Breyer eine Frist gesetzt. Bis dahin soll es mehr Klarheit zu den Lösungen geben. Auch wenn keine absoluten Summen feststehen, so viel ist schon klar: Die finanziellen Folgen der Abgasaffäre werden „substanziell und schmerzhaft“, hatte Konzern-Chef Matthias Müller vor einigen Wochen gesagt. An dieser Perspektive ändert auch Breyers Billigung nichts.
SAN FRANCISCO Weiterhin drohen Strafzahlungen
Müsste der Konzern auch nur die Hälfte der insgesamt betroffenen 600 000 Autos zurückkaufen, entspräche das bei rund 20 000 Dollar Durchschnittspreis pro Auto insgesamt sechs Milliarden Dollar (gut 5,3 Milliarden Euro) Belastung.
Weiterhin fürchten muss der Konzern Strafzahlungen. Die USA haben VW wegen Betrug und Verstoß gegen Umweltgesetze verklagt, es drohen zweistellige Milliardenkosten. Zum Vergleich: Die bisher höchste Entschädigung in den USA musste die Hyundai-Kia Gruppe zahlen – 100 Millionen Dollar im Jahr 2014 für unerlaubte Treibhausgasemissionen. Dennoch: Für Volkswagen dürften sich die von US-Richter Beyer in San Francisco verkündeten Kosten wie ein Schritt in die richtige Richtung anfühlen.
Dies ist aber nur eine Seite der Medaille. Denn längst werden von VW-Kunden und ihren Juristen rund um den Globus ähnliche Forderungen laut. In Deutschland melden zum Beispiel die Verbraucherschützer Ansprüche an und warnen Volkswagen, seine US-Kunden in der AbgasAffäre großzügiger zu entschädigen als VW-Fahrer hierzulande. Dabei unterstrichen die Wolfsburger am Donnerstag erneut ihre Linie: „Die sich nun abzeichnenden Regelungen in den USA werden in Verfahren außerhalb der USA keine rechtlichen Wirkungen entfalten.“In Deutschland löst das Widerspruch aus: „Volkswagen muss jetzt endlich mit offenen Karten spielen und Klarheit schaffen, wie sie die deutschen Kunden entschädigen wollen“, sagt etwa der Chef des Auto Clubs Europa (ACE), Stefan Heimlich, in Stuttgart. Niemand verstehe, warum US-Besitzer eine Wiedergutmachung erhalten sollten, während die Kunden hierzulande in die Röhre schauten.
Die USA haben in der Abgas-Krise eine Sonderrolle, daraus hat der Konzern nie einen Hehl gemacht. Die Zivilklage fordert Bußgelder von mehr als 45 Milliarden Dollar. Hinzu kommen Hunderte weitere Klagen von Autobesitzern, aber auch von anderen US-Behörden. Als weitere Faktoren drohen Wiedergutmachungszahlungen an Kunden, weitere juristische Risiken – vom Imageschaden zu schweigen. Es gibt allerdings nun eine Weichenstellung: VW hat sich mit den Sammelklägern, deren Fälle bei Richter Breyer gebündelt sind, auf die Grundzüge eines Vergleichs verständigt.