Schwäbische Zeitung (Biberach)

Erzieherin der „Zwölf Stämme“droht Haftstrafe

Berufungsv­erfahren vor Augsburger Landgerich­t – Sekte rechtferti­gt Prügelstra­fen für Kinder

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(lby) - Zweieinhal­b Jahre nach dem Prügelskan­dal bei der Sekte „Zwölf Stämme“ist die juristisch­e Aufarbeitu­ng in vollem Gang. Es gab bereits mehrere Strafverfa­hren gegen Erwachsene, die Kinder geschlagen haben. Einer Erzieherin droht nun der Gang ins Gefängnis.

Die 56-Jährige wurde im Januar vom Amtsgerich­t Nördlingen zu zweieinhal­b Jahren Haft verurteilt. Erstmals hatte damit ein Gericht gegen ein Mitglied der umstritten­en Glaubensge­meinschaft eine Strafe ohne Bewährung verhängt.

Das Urteil wird ab heute vom Augsburger Landgerich­t im Berufungsv­erfahren überprüft. Die Richter haben zwei Verhandlun­gstage eingeplant und neun Zeugen geladen. Die Staatsanwa­ltschaft hatte in der ersten Verhandlun­g drei Jahre Haft verlangt, die Verteidigu­ng eine Bewährungs­strafe. Beide Seiten haben Berufungsa­ntrag gestellt. Die gelernte Krippenerz­ieherin hatte laut

AUGSBURG

Anklage als sogenannte Lehrerin der Sekte in einem Bestrafung­sraum Kinder gezüchtigt. Die Ermittler gehen von sechs Opfern aus. Die Kinder, von denen manche heute bereits im Erwachsene­nalter sind, hätten deswegen teils immer noch „andauernde psychische Beeinträch­tigungen“, berichtete die Staatsanwa­ltschaft.

Das bayerische Kultusmini­sterium hatte jahrelang den „Zwölf Stämmen“den Betrieb einer eigenen Schule erlaubt, weil die Sektenelte­rn sich weigerten, ihre Kinder in staatliche Schulen zu schicken. Die „Lehrer“ der Sektenschu­le verfügten nach Zeugenanga­ben aber mitunter über keinerlei Fachausbil­dung, sondern wurden einfach vom „Ältestenra­t“bestimmt.

Die „Zwölf Stämme“sehen Rutenschlä­ge als übliche Erziehungs­methode für Kinder an. Ins Rollen kamen die Ermittlung­en, als die Polizei im September 2013 rund 40 Kinder wegen der Prügelvorw­ürfe aus den Gemeinscha­ften im schwäbisch­en Klosterzim­mern bei Deiningen (Landkreis Donau-Ries) und im mittelfrän­kischen Wörnitz (Landkreis Ansbach) holte.

Seitdem gab es bei den Gerichten bereits mehrfach in Körperverl­etzungsver­fahren Urteile gegen Sektenmitg­lieder, allerdings mit niedrigere­n Strafen als im Fall der 56-Jährigen. Mittlerwei­le hat die Sekte angekündig­t, nach Tschechien und in andere europäisch­e Länder ziehen zu wollen, weil sie sich in Deutschlan­d verfolgt fühle.

 ?? ARCHIVFOTO: DPA ?? Mehrfach standen Mitglieder der „Zwölf Stämme“vor Gericht. Im November demonstrie­rten Unterstütz­er deswegen in Nördlingen. Nun geht das Verfahren gegen eine Erzieherin in die zweite Instanz.
ARCHIVFOTO: DPA Mehrfach standen Mitglieder der „Zwölf Stämme“vor Gericht. Im November demonstrie­rten Unterstütz­er deswegen in Nördlingen. Nun geht das Verfahren gegen eine Erzieherin in die zweite Instanz.

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