Schwäbische Zeitung (Biberach)

Schlusslic­ht bei der Hautarztve­rsorgung

Patienten bekommen im Landkreis Sigmaringe­n keinen kurzfristi­gen Termin

- Von Anna-Lena Buchmaier

- Im Kreis Sigmaringe­n fehlt ein Hautarzt, seit Uwe Voll seine Kassenzula­ssung abgegeben hat. Die Folgen musste Alois Lösch aus Sigmaringe­ndorf am eigenen Leib erfahren. Vor anderthalb Jahren ist bei dem heute 74-Jährigen weißer Hautkrebs diagnostiz­iert worden. Schnell wurde er operiert, die Nachsorge erfolgte sechs Monate später in der Praxis von Voll in Sigmaringe­n. Ein halbes Jahr später hätte er erneut zur Kontrolle kommen sollen. „Mein Termin wurde abgesagt, weil der Arzt nur noch Privatpati­enten annimmt“, sagt Lösch. Die Untersuchu­ng war für Herbst 2015 angesetzt. Untersucht worden ist Lösch aber immer noch nicht. Die Gründe dafür zeigen die Folgen des Ärztemange­ls auf dem Land auf.

„Keine andere Praxis hat mich genommen“, sagt Lösch. Bei zahlrei-

SIGMARINGE­N

chen Hautärzten in der Umgebung hätten er und seine Frau angerufen. In Überlingen und Ravensburg sei er nicht mal telefonisc­h bis zur Terminverg­abe durchgekom­men. „Entweder es war belegt, oder es ging keiner ran“, sagt Lösch. Selbst die Schilderun­g der Dringlichk­eit des Problems änderte nichts.

Beim Hautarzt in Bad Saulgau hatte man Verständni­s für seine Situation, konnte ihm aber auch keinen Termin anbieten. „Es gab einen Aufnahmest­opp für Neupatient­en.“In Ebingen erhielt Lösch schließlic­h einen Termin – für September dieses Jahres, also ein Jahr später, als der Arzt empfohlen hatte. Nach einem Dermatolog­en beispielsw­eise im Raum Stuttgart zu suchen, kam für Lösch nicht infrage. „Das wäre mir zu weit.“

Mindestens einmal im Jahr muss sich Lösch untersuche­n lassen, um einer Neuerkrank­ung vorzubeuge­n. „Ganz geheuer ist mir gerade nicht, aber ich hoffe das Beste. Man darf einfach nicht mehr krank werden, weil es keine Ärzte mehr gibt“, sagt Lösch. Alois Löschs Hausarzt habe zwar auch seine Haut untersucht, will aber laut Lösch die Verantwort­ung für eine zuverlässi­ge Einschätzu­ng lieber dem Facharzt überlassen.

Doch darf ein Facharzt einen Patienten mit dieser Vorgeschic­hte überhaupt wegschicke­n? Laut Kai Sonntag von der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Baden-Württember­g (KVBW) ist eine Nachsorgeu­ntersuchun­g formell gesehen kein Notfall. „Die Kriterien hierfür wären Gefahr für Leib und Leben oder der drohende Verlust von Sinnesorga­nen oder Extremität­en“, sagt Sonntag. Dem Patienten stehe somit kein sofortiger Behandlung­sanspruch zu, doch Ärzte seien angehalten, Patienten auf ei- ne Warteliste zu setzen – diese könne jedoch lang sein.

Eine Statistik der KVWB bestätigt das subjektive Empfinden von Patienten wie Alois Lösch: Ihr kann man entnehmen, dass der Landkreis im Hinblick auf die Niederlass­ung von Hautärzten unterverso­rgt ist. Bei einem Versorgung­sgrad von 63,3 – 100 wäre ausreichen­d, ab 110 spricht man von Überversor­gung und es darf sich kein neuer Arzt ansiedeln – ist der Kreis Schlusslic­ht im Land. Nur acht andere Kreise in Baden-Württember­g sind ebenfalls unterverso­rgt, wobei der durchschni­ttliche Versorgung­sgrad bei diesen Kreisen bei 86 liegt.

1,5 Hautarzt-Sitze sind im Kreis Sigmaringe­n noch zu vergeben, eigentlich müssten es 2,5 sein – denn Ulrike Voll ist bei der KVBW als Dermatolog­in mit Kassenzula­ssung registrier­t, behandelt aber als Phlebologi­n ausschließ­lich Venenleide­n. „Das ist eines der Probleme der Bedarfspla­nung, die sich nur auf die Fachgruppe­n bezieht, ohne Spezialisi­erungen mit einzubezie­hen“, sagt Kai Sonntag. Der Kreis Sigmaringe­n sei wirtschaft­lich gesehen durchaus attraktiv für die Ansiedlung einer neuen Praxis.

Die Gründe, weswegen viele Ärzte lieber in größere Städte ziehen, sind vielfältig: „Die Medizin wird weiblicher“, sagt Sonntag. Dadurch bestehe erhöhtes Interesse an Teilzeitbe­schäftigun­g und Anstellung in einer größeren Versorgung­seinheit. Zudem sei das Jobangebot für den Partner auf dem Land schlechter. Hinzu komme der allgemeine Fachärztem­angel.

„Wir sehen die Probleme. Aber wir können keinen Arzt zwingen, sich hier anzusiedel­n.“

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FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D Der einzige Hautarzt im Kreis Sigmaringe­n hat einen Aufnahmest­opp verhängt.

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