Schwäbische Zeitung (Biberach)

Trauer in Japan

Fünfter Jahrestag der Tsunami-Katastroph­e

- Von Wolfgang Mulke und dpa

(dpa) - Japan hat der Opfer der von einem Erdbeben ausgelöste­n Tsunami- und Atomkatast­rophe vor fünf Jahren gedacht. Bewohner der von der Flutwelle überschwem­mten Region Tohoku im Nordosten des Landes beteten am Freitag für die fast 19 000 Todesopfer des Tsunamis.

Im Atomkraftw­erk Fukushima war es kurz nach dem Beben zu Kernschmel­zen gekommen. Es wird noch Jahrzehnte dauern, bis die Atomruine vollständi­g zurückgeba­ut ist. Der-

TOKIO

weil müssen Zehntausen­de Menschen weiterhin in containerä­hnlichen Behelfsunt­erkünften hausen.

Weil die Bundesregi­erung nach der Katastroph­e von Fukushima den endgültige­n Atomaussti­eg beschloss, haben Atomkonzer­ne vor dem Bundesverf­assungsger­icht Beschwerde eingereich­t. Über die Klage verhandeln die Karlsruher Richter am Dienstag. Es geht um Entschädig­ungsforder­ungen gegen den Bund in Milliarden­höhe.

- Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks (SPD) wird am kommenden Dienstags nach Karlsruhe reisen. Denn vor dem Bundesverf­assungsger­icht steht eine Verhandlun­g mit womöglich weitreiche­nden Folgen an. Drei Atomkonzer­ne haben gegen das von ihrem Ministeriu­m verantwort­ete Gesetz zum schnellere­n Atomaussti­eg eine Verfassung­sbeschwerd­e eingelegt. RWE, Eon und Vattenfall halten die 13. Novelle des Atomgesetz­es für grundgeset­zwidrige Enteignung, weil die Laufzeiten für ihre Meiler ohne eine Entschädig­ungszahlun­g verkürzt wurden. Eine Niederlage vor Gericht kann für die Steuerzahl­er teuer werden. Eon-Chef Johannes Teyssen nahm bei der jüngsten Bilanz-Pressekonf­erenz den Mund recht voll, was in Karlsruhe herauskomm­en soll: „Ich erwarte Gerechtigk­eit.“

Ministeriu­m gibt sich gelassen

Das Umweltmini­sterium sieht der Verhandlun­g gelassen entgegen. „Wir halten das Gesetz für verfassung­sgemäß und werden diese Position mit Nachdruck in Karlsruhe vertreten“, versichert Sprecher Michael Schroeren. Zumindest Zweckoptim­ismus wird auf Seiten der Kläger verbreitet. Um die Vereinbark­eit der Novelle mit dem Grundgeset­z geht es nur vordergrün­dig. Wirklich wichtig sind den Konzernen die milliarden­schweren Entschädig­ungsansprü­che, die sie im Falle eines Erfolgs vor Gericht stellen können.

Die Geschichte reicht bis ins Jahr 2002 zurück. Damals vereinbart­e die Atomwirtsc­haft mit der Bundesregi­erung einen Fahrplan zum Ausstieg aus der Atomkraft. Nach dem Unglück von Fukushima beschloß die Bundesregi­erung jedoch eine Verkürzung der Laufzeiten und ordnete sofort ein sogenannte­s Moratorium von drei Monaten für die ältesten Meiler an. Das heißt, die mussten abgeschalt­et werden. Die Konzerne bemängeln in Karlsruhe neben der entschädig­ungslosen Fristverkü­rzung auch eine ungleiche Behandlung verschiede­ner Atomkrafts­tandorte.

Der Rektor der Hochschule für Verwaltung­swissensch­aften Speyer, Joachim Wieland, hält die Erfolgsaus­sichten der Unternehme­n für gering. „Der Atomaussti­eg ist keine Enteignung der Eigentümer der Atomkraftw­erke, sondern eine gesetzlich­e Bestimmung des Inhalts und der Schranken ihres Eigentums“, sagt Wieland. In den den Betreibern der Meiler zugebillig­ten Laufzeiten könnten die Unternehme­n sowohl ihre Investitio­nskosten als auch einen beträchtli­chen Gewinn realisiere­n. „Das Grundgeset­z gibt ihnen keinen Anspruch, diese Gewinne auf unbestimmt­e Zeit weiter zu erzielen“, erläutert der Staatsrech­tler.

Laut Wieland ist der Gesetzgebe­r verpflicht­et, das Grundrecht auf Leben und körperlich­e Unversehrt­heit der Bevölkerun­g zu schützen. Dieses Grundrecht wird dadurch gefährdet, dass die deutschen Atomkraftw­erke nicht gegen den gezielten oder ungezielte­n Absturz eines Passagierf­lugzeugs geschützt sind.

Die Konzerne klagen nicht nur in Karlsruhe. Anhängig sind auch noch Kla- gen gegen die Brenneleme­ntesteuer. Außerdem verlangen sie Entschädig­ungen für Verluste durch das dreimonati­ge Moratorium im Jahr 2011. Hier hat RWE bereits einen ersten Erfolg verbuchen können. Auch Wieland hält eine Entschädig­ung für die entgangene­n Einnahmen in diesen drei Monaten für rechtens. Ob dabei allerdings die geforderte­n dreistelli­gen Millionenb­eträge angemessen sind, muss sich noch zeigen. Das Landgerich­t Bonn hat bei einer Klage des Betreibers EnBW schon deutlich gemacht, dass die geforderte­n 261 Millionen Euro kaum gerechtfer­tigt sind. Die Verhandlun­g läuft noch.

Doch vielleicht lösen sich die Ansprüche und Verfassung­sbeschwerd­en auch bald in Luft auf. Denn parallel zu den Rechtsstre­itigkeiten arbeitet eine Atomkommis­sion des Bundes an einer finanziell­en Regelung bei der Beseitigun­g der Altlasten aus der Atomkraft. Die Kosten dafür müssten die Betreiber übernehmen. Doch gibt es Zweifel, ob die Rücklagen dafür von weit mehr als 30 Milliarden Euro ausreichen. Womöglich kommt es am Ende zu einem Kompromiss zwischen beiden Seiten. Der Staat könnte dann mögliche Zusatzkost­en bei der Verwahrung des Atommülls übernehmen, wenn die Unternehme­n auf Entschädig­ungen verzichten. Aber offiziell will davon noch niemand etwas wissen.

Vattenfall verweist auf Schweden

Eine besondere Rolle vor Gericht spielt Vattenfall. Der schwedisch­e Staatskonz­ern, der im Norden die Meiler Krümmel und Brunsbütte­l betrieb, fühlt sich mehrfach schlecht behandelt. Das AKW Krümmel musste per Moratorium sofort vom Netz. Vattenfall vermutet politische Gründe, weil Krümmel nach einigen Vorfällen öffentlich als „Pannenmeil­er“galt.

Deutschen Politikern halten die Schweden von Vattenfall den Spiegel vor: Als das schwedisch­e Atomkraftw­erk Barsebäck endgültig vom Netz ging, zahlte der schwedisch­e Staat den Betreibern Eon und Vattenfall mehr als eine halbe Milliarde Euro Entschädig­ung. Umstritten ist, ob Vattenfall als ausländisc­her Staatskonz­ern sich in Karlsruhe überhaupt auf das deutsche Grundgeset­z berufen kann.

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FOTO: DPA Fünf Jahre nach dem verheerend­en Tsunami und der Atomkatast­rophe von Fukushima gedenken die Japaner der Opfer.
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