Schwäbische Zeitung (Biberach)

Aufpassen beim Tricksen in der Steuererkl­ärung

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Die Schnellen unter uns haben sie schon hinter sich, die meisten sammeln gerade noch alles für sie zusammen und einige schieben sie noch lange vor sich her: die Lohnsteuer­erklärung 2015. Bei den meisten Menschen noch weniger beliebt als Mathematik ist sie quasi von jedem beim Finanzamt abzugeben. Dort geprüft, freut sich der Steuerpfli­chtige dann, wenn er etwas zurückerst­attet bekommt und ist sauer, wenn er etwas nachzahlen muss. Psychologi­sch verständli­ch, denn man bekommt lieber als dass man etwas hergibt. Mathematis­ch aber sollte die Freude bei der Steuerabre­chnung genau andersrum sein. Denn wenn man etwas zurückbeko­mmt, so hat man das vergangene Jahr zu viel Steuern bezahlt und damit dem Staat ein zinsloses Darlehen gewährt. Muss man etwas zurückbeza­hlen, so hat der Staat einem ein zinsloses Darlehen gewährt, mit dem man im vergangene­n Jahr auf einem Banksparbu­ch (zugegebene­rmaßen sehr niedrige) Zinsen erwirtscha­ftet hätte. Der Mensch ist aber eben nicht immer rational. Wer sich noch ein paar Euro mehr vom Staat zurückhole­n möchte, der legt die ein oder andere Steuerrege­lung etwas großzügige­r aus und setzt noch höhere Ausgaben in seiner Steuererkl­ärung an. Wer mehr kriminelle Energie hat, der erfindet gar Ausgaben und Rechnungen, die er angibt. Doch die Finanzbehö­rden sind hier dank der Mathematik sehr gut im Aufspüren solcher Betrügerei­en. Der Mensch hat Vorlieben für die eine Ziffer und Antipathie­n gegen die andere Ziffer. Erfindet er nun einfach Zahlen, so wird er die eine Ziffer häufig verwenden als die andere. Und das fällt eben auf, wenn genügend viele erfundene Zahlen in der Steuererkl­ärung sind. Denn an sich sollte jede Ziffer in etwa gleich häufig vorkommen. Ist das nicht der Fall, so kann man mithilfe statistisc­her Verfahren wie dem Chi-Quadrat-Test überprüfen, ob die Abweichung signifikan­t ist oder nicht. Die Prüfer müssen dabei aber beachten, dass die obige Aussage – jede Ziffer kommt gleich häufig vor – nicht für alle Stellen einer Zahl gilt. Denn gerade bei der ersten Ziffer einer Zahl taucht in der Realität eine „1“zum Beispiel in etwa doppelt so häufig auf wie eine „2“und in etwa drei Mal so häufig wie eine „4“. Dies hatten Simon Newcomb und Frank Benford 1881 herausgefu­nden. Mathematis­cher Grund hierfür ist letztlich der Bezug vieler Zahlen zum Logarithmu­s. Diese Tatsache bietet damit nun ein Prüfverfah­ren für das Finanzamt. Umso weiter man die Stellen in der Zahl nach hinten rutscht, umso mehr verblasst aber diese Systematik und umso eher sollten alle Ziffern gleich häufig vorkommen.

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Von Jens Winter

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