Schwäbische Zeitung (Biberach)

Widerrufsb­elehrung muss sich nicht grafisch abheben

Verbrauche­rzentrale scheitert mit Klage zur Gestaltung von Kreditvert­rägen vor dem Bundesgeri­chtshof

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(dpa) - Wer für die eigenen vier Wände einen Kredit aufnimmt, trifft eine folgenschw­ere Entscheidu­ng auf viele Jahre. Umso wichtiger, dass mit dem Vertrag alles stimmt, finden Verbrauche­rschützer. Mit ihrer Kritik an den Musterform­ularen zweier Sparkassen können sie den Bundesgeri­chtshof zwar nicht überzeugen. Aber in vielen anderen Fällen steckt im Kleingedru­ckten bares Geld.

KARLSRUHE

Um was genau ging es?

Die Verbrauche­rzentrale BadenWürtt­emberg stört sich daran, wie die Widerrufsb­elehrung in den Formularen gestaltet ist. Dort wird der Kreditnehm­er darüber informiert, dass er den Vertrag binnen 14 Tagen wieder rückgängig machen kann und was er dafür zu tun hat. Aus Sicht der Verbrauche­rschützer hebt sich die Belehrung in zwei Vordrucken der Kreisspark­asse Esslingen-Nürtingen und der Sparkasse Ulm nicht genug vom Rest des Vertrages ab. In einem Fall gibt es auf der Seite auch noch mehrere Optionen zum Ankreuzen – das lenke vom eigentlich­en Inhalt ab, so die Kritik.

Aber die Karlsruher Richter haben damit kein Problem?

Nein. In ihrer Entscheidu­ng vom Dienstag stellen sie heraus, dass die Belehrung zwar klar und verständli­ch zu sein hat. Sie muss sich aber nicht grafisch abheben. Ein aufmerksam­er Verbrauche­r finde die Informatio­nen auch so. Für Niels Nauhauser, Finanzexpe­rte bei der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g, führt dieses Urteil „zu einer deutlichen Abschwächu­ng des Verbrauche­rschutzes“.

Wozu die Aufregung, sind das nicht nur Formalien?

„Es geht nicht um Banalitäte­n oder Formfehler“, widerspric­ht Nauhauser. Dass die Belehrung ins Auge springt, sei ganz wesentlich für den Kreditnehm­er. „Sonst geht das im Kleingedru­ckten unter, man heftet den Vertrag ab und weiß überhaupt nicht, dass man ein Widerrufsr­echt hat.“Wenn es um große Summen und langfristi­ge Verpflicht­ungen geht, sei es umso wichtiger, über die Entscheidu­ng noch mal schlafen zu können. Er geht davon aus, dass mit den fraglichen Formularen (mit der Nr. 192 643 000 von Juni 2010 und November 2011) bundesweit Kreditvert­räge abgeschlos­sen wurden.

Warum schauen die Verbrauche­rschützer gerade hier so genau hin?

Weil es am Ende eben auch um Geld geht. Fehler in der Belehrung haben nämlich zur Folge, dass die Frist für den Widerruf gar nicht zu laufen beginnt. Die Kunden können also auch noch Jahre nach dem Abschluss aus dem Vertrag aussteigen. Normaler- weise ist das nur in eng begrenzten Fällen möglich – und kann vor allem teuer werden: Denn der Bank steht ein finanziell­er Ausgleich zu für die Zinsen, die sie in der Restlaufze­it noch kassiert hätte. Diese sogenannte Vorfälligk­eitsentsch­ädigung, die der Kunde zahlen muss, kann mehrere Zehntausen­d Euro betragen. Dieses Geld können sich Verbrauche­r also unter Umständen sparen. Teils müssen sie sich allerdings beeilen: Denn sehr zum Ärger der Verbrauche­rschützer schiebt die schwarz-rote Koalition dem „ewigen Widerrufsr­echt“bald einen Riegel vor.

Was hat es damit auf sich?

Fehler in Widerrufsb­elehrungen sind bei weitem kein Einzelfall. Die Verbrauche­rzentrale Hamburg hat Tausende Immobilien­kreditvert­räge geprüft, die nach der seit 2002 geltenden Rechtslage geschlosse­n wurden – und neun von zehn Belehrunge­n als fehlerhaft beanstande­t. Für die Banken sind diese Verträge tickende Zeitbomben. Union und SPD nutzen daher gerade die Umsetzung einer EU-Richtlinie für eine Änderung: Das bereits vom Bundestag beschlosse­ne Gesetz sieht vor, dass für alle Verträge mit Datum 1. September 2002 bis 10. Juni 2010 trotz Fehlern in der Belehrung zum 21. Juni das Widerrufsr­echt endet.

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