Schwäbische Zeitung (Biberach)
Beschwerden über Polizei sollen einfacher werden
Landtag will Bürgerbeauftragten einsetzen – Gewerkschafter und Opposition halten Stelle für überflüssig
- Wenn sich Bürger über Behörden beschweren wollen, haben sie künftig einen Ansprechpartner beim Landtag in Stuttgart. Dort soll der neue Bürgerbeauftragte sitzen, dessen Einführung das Landesparlament heute beschließen will. Der Posten ist umstritten. Das hat zwei Gründe: Zum einen soll sich der künftige Stelleninhaber besonders mit Klagen über und von Polizeibeamten kümmern. Zum anderen werfen CDU und FDP der Regierung vor, mit dem Beauftragten nur einen internen Streit beilegen zu wollen.
Ursprünglich wollten die Grünen die Kennzeichnungspflicht für Polizisten. Bei Großeinsätzen sollten die Beamten eine Nummer tragen, damit Bürger sie eindeutig identifizieren können. Eine Herzensangelegenheit der Partei, vor allem nach den Zusammenstößen zwischen Polizei und Gegnern des Stuttgarter Bahnhofsprojektes S 21. Doch mit dem Koalitionspartner SPD und dem von ihr geführten, für die Polizei zuständigen Innenministerium konnten sich die Grünen nicht einigen. Nun soll als Kompromiss die Stelle des Bürgerbeauftragten entstehen.
STUTTGART
Er soll vom Parlament auf Vorschlag der Regierung für acht Jahre gewählt werden und drei Mitarbeiter haben. Er ist keinem Ministerium untergeordnet. Behörden müssen ihm Auskunft erteilen und Einblick in Akten gewähren. Auch Bürger, die sich über die Polizei beschweren wollen, können sich an ihn wenden – ebenso wie Polizisten, die Probleme in ihrer Dienststelle haben.
„Nur deswegen begrüßen wir die Einrichtung der neuen Stelle“, sagt Rüdiger Seidenspinner, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Po- lizei (GdP). Der Neue könne sich um Belange der Polizisten kümmern. Das sei dringend notwendig, es gebe erhebliche Differenzen zwischen Führung und unteren Rängen. „Vor allem für familiäre Verpflichtungen haben Vorgesetzte immer weniger Verständnis“, sagt Seidenspinner. Um Beschwerden über die Polizei zu bearbeiten, hält der Gewerkschafter den neuen Posten aber für überflüssig.
Ralf Kusterer, Landeschef der zweiten großen Polizeigewerkschaft DPolG geht noch weiter:„Die Stelle ist Ausdruck des Misstrauens der Landesregierung gegenüber der Polizei.“Man brauche sie nicht. Bürger könnten sich auf bewährtem Weg beschweren (siehe Kasten), Polizisten bei Gewerkschaftsvertretern.
In Rheinland-Pfalz gibt es ein ähnliches Konstrukt: Der Bürgerbeauftragte Dieter Burgard ist seit 2014 auch Polizeibeauftragter. Seine Bilanz: Zwischen Juli 2015 und Februar 2016 bearbeitete er 37 Beschwerden von Bürgern. Außerdem gab es 29 Eingaben von Polizisten. Burgard lässt sich über einen Fall informieren, versucht, zwischen Bürgern und Polizei zu vermitteln. In einigen Fällen organisierte er Gespräche mit Betroffenen und Polizisten.
Polizeigewerkschafter kritisieren, Burgard kümmere sich um wenige Kleinigkeiten. Sobald ein disziplinarrechtliches Verfahren oder ein Prozess laufe, muss er – wie demnächst sein Stuttgarter Amtskollege – die Arbeit an einem Fall ruhen lassen. Die Stelle sei überflüssig, so Benno Langenberger von der DPolG RheinlandPfalz. Sie kostet pro Jahr 1,2 Millionen Euro, 19 Mitarbeiter kümmern sich um Beschwerden. In Baden-Württemberg sind 323 000 Euro für das erste Jahr veranschlagt.