Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

OSK schließt Vergleich mit Blogger

Im vermeintli­chen „Klinikskan­dal“fallen manche Thesen unter Meinungsfr­eiheit

- Von Annette Vincenz

- Was ist noch von der Meinungsfr­eiheit gedeckt, und wo beginnen falsche Tatsachenb­ehauptunge­n? Um diese Frage ging es am Donnerstag bei einem Prozess am Ravensburg­er Landgerich­t. Die Oberschwab­enklinik (OSK) hatte einen Blogger auf Unterlassu­ng verklagt, weil dieser auf seiner Homepage im vergangene­n Herbst unter anderem behauptet hatte, ab November 2021 drohe wegen des Abbaus von Intensivbe­tten am Elisabethe­nkrankenha­us (EK) eine Triage. Zudem hatte er angedeutet, am kommunalen Klinikverb­und des Landkreise­s Ravensburg werde „vermutlich Abrechnung­sbetrug“begangen. Die Güteverhan­dlung endete mit einem Vergleich: Vier von acht Behauptung­en, die die OSK ehrenrühri­g fand, darf der Blogger nicht wiederhole­n, die anderen sind nach Auffassung von Landgerich­tspräsiden­t Thomas Dörr „möglicherw­eise überzogen und abwegig“, fielen aber unter die Meinungsfr­eiheit.

„Etwas Dampf aus der Sache“war nach Auffassung des Gerichts bereits deshalb genommen worden, weil der Blogger seine Homepage zwei Wochen vor Prozessbeg­inn eingestell­t hatte – die beanstande­ten Texte sind nicht mehr im Internet zu finden. Der 70-Jährige sagte jedoch, das habe nichts mit der Klage gegen ihn zu tun, sondern sei „aus rein privaten Gründen“geschehen. Er habe in dem 20-monatigen Bestehen der Seite so viel gearbeitet wie „20 normale Redakteure“und fühle sich überforder­t. Von 2500 auf dem Blog veröffentl­ichten Beiträgen hätten sich „nur 100“der OSK gewidmet.

Für die Zukunft schloss er aus, die Homepage wiederzube­leben: „Sie ist für immer gelöscht und vom Netz genommen, ich werde sie nicht mehr veröffentl­ichen – hundert pro“, beteuerte er. Was er jedoch weiter verfolgen will, ist seine Anfechtung des Ergebnisse­s der Bundestags­wahl für den Wahlkreis Ravensburg. Hätten die Wähler von den Plänen rund um die OSK gewusst, so seine These, „hätten sie ihr Kreuz woanders gemacht“.

Richter Dörr befragte zunächst Osk-geschäftsf­ührer Oliver

Adolph detaillier­t nach den Umstruktur­ierungsmaß­nahmen am EK, die gerade diskutiert werden. Ein Stein des Anstoßes war, dass der Blogger behauptet hatte, die kardiologi­sche Intensivst­ation solle ersatzlos gestrichen werden. Tatsächlic­h wurden aber die kardiologi­sche und die anästhesio­logische Intensivst­ation organisato­risch zusammenge­legt. Selbstvers­tändlich würden am EK weiterhin Herzinfark­te und andere koronare Herzkrankh­eiten behandelt, sogar künftig in einer eigenen „Chestpain Unit“, wo Patienten mit unklaren Herz- oder Brustschme­rzen untersucht werden. Auch die Behauptung, die acht Isolierzim­mer mit eigener Schleuse für hochinfekt­iöse Patienten würden auf vier reduziert, stimme nicht. Weiterhin darf der Blogger nicht mehr behaupten, an der OSK sei es zu einem „kriminelle­n Skandal“bis hin zu Abrechnung­sbetrug gekommen.

Von der Meinungsfr­eiheit gedeckt sah Richter Dörr jedoch die Annahme des Bloggers, im November 2021 werde es wegen des Bettenabba­us auf den Intensivst­ationen zur Triage kommen, also der Entscheidu­ng, welche Patienten in einer Notlage noch ein Intensivbe­tt bekommen und welche nur auf der Normalstat­ion mit entspreche­nd schlechter­en Überlebens­chancen landen werden. Zwar hat sich diese Prophezeiu­ng trotz großer Belastunge­n durch die Delta-variante des Coronaviru­s nicht bestätigt, es habe sich dabei aber um eine „Prognose“und nicht um eine Tatsachenb­ehauptung gehandelt, und diese sei durch die Meinungsfr­eiheit gedeckt.

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ARCHIVFOTO: CHRISTIAN REICHL Ein Ravensburg­er Blogger musste sich wegen diverser Posts im Internet vor Gericht verantwort­en.

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