Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Russland, die Krim und die Gaspipeline
Seit der Annexion der Krim 2014 sind Sanktionen gegen Russland in Kraft. Doch darüber, ob solche Strafmaßnahmen überhaupt etwas bringen, gehen die Meinungen auseinander. Skeptiker führen an, dass die Sanktionen lediglich die Fronten verhärtet hätten, anstatt das Verhalten Russlands zu verändern. Jedes Mal, wenn der Westen in den vergangenen 20 Jahren Druck ausgeübt hat, habe Russland sich weiter zurückgezogen, sagt etwa der Historiker Martin Hoffmann vom deutsch-russischen Forum. Stattdessen sollten Politik und Gesellschaft im Gespräch bleiben. Die jüngsten Ereignisse bestärken Hoffmann dabei: Die Prohabe teste seien ein Zeichen, dass der Austausch mit der Zivilgesellschaft fruchte. Sanktionen hingegen würden die Protestierenden auf der Straße schwächen, weil sie von Regierung und Staatsmedien somit leicht der Kooperation mit dem Westen beschuldigt werden könnten. Janis Kluge muss hier widersprechen: „Die Proteste geschehen völlig unabhängig davon, was der Westen macht, aus sich selbst heraus“, sagt der Osteuropa-experte der Stiftung Wissenschaft und Politik im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Dass Sanktionen nicht wirken, sei schlicht falsch. „Sanktionen verhindern Ereignisse, bevor Sie eintreten.“Deswegen
man bei ihnen immer ein Beweisproblem, weswegen sie so leicht angreifbar sind. Kluge ist überzeugt, dass die Sanktionen gegen Russland dem Kreml seine Grenzen aufgezeigt haben: Eine weitere Eskalation in der Ukraine wurde so verhindert und überhaupt erst ermöglicht, dass Russland sich an den Verhandlungstisch gesetzt hat. Zu viel erhoffen dürfe man sich von den Sanktionen allerdings nicht. „Wir können das Kostenkalkül der russischen Außenpolitik beeinflussen, Russland aber nicht zu einem prowestlichen Staat machen.“Davon, den Fall des Opositionellen Alexej Nawalny mit der Erdgaspipeline Nord Stream 2 zu vermengen, rät Kluge dennoch ab. Er ist zwar für einen Baustopp, weil die politischen Kosten seiner Meinung nach die wirtschaftlichen inzwischen übersteigen. Damit Sanktionen etwas bewirken, müssten sie aber rückgängig gemacht werden können, sobald ein Staat das beanstandete Verhalten beendet. Das sei bei Nord Stream schwer möglich, weswegen ein Baustopp Nawalny nichts nutzen würde. Da auch andere Staaten, mit denen Deutschland Handel treibt, keine Musterschüler in Sachen Menschenrechten seien, plädiert er für Verhältnismäßigkeit: Im Falle Nawalnys könnten etwa Finanzsanktionen helfen. (nbr)