Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
„Die Politik muss mehr zuhören“
Auf Einladung des Kreisjugendrings hat sich die grüne Bundestagsabgeordnete Agnieszka Brugger einem Jugenddialog gestellt
KREIS RAVENSBURG - Der Kreisjugendring hat zu einem Jugend-Dialog mit der Ravensburger Abgeordneten Agnieszka Brugger, die für die Partei Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag sitzt, geladen. Zu Beginn des digitalen Meetings stellte sich Agnieszka Brugger mit einem kurzen Einblick in ihre politische Laufbahn vor. Der Einzug in den Bundestag im Jahr 2009 habe ihre persönliche Lebensplanung durcheinander geworfen. Anfangs habe sie sich viel geärgert, weil die Dinge sich so „unfassbar langsam bewegen ließen“, so Brugger.
Auch habe ihre Person, mehr noch ihre Piercings, nicht nur positive Resonanz hervorgerufen. Insgesamt habe sie jedoch gute Erfahrungen gemacht. Es komme schließlich mehr drauf an, wie gut man darin ist, Bündnisse zu schmieden und mit welchem Elan man sich einsetzt. Auch wenn sie lange Zeit als „Paradiesvogel im Bundestag“galt, so Brugger, wurde sie schnell respektiert.
Interessante Fragen kamen aus den Reihen der Zuhörer. David Jung, Vorsitzender des Landesschülerbeirats,
wollte wissen, ob es Probleme gab, wenn Brugger als junges Parteimitglied bei den Grünen neue Ideen einbrachte. „Manchmal muss man den Mut haben, den Alteingesessenen auf die Füße zu treten“, sagte Brugger dazu. So habe auch sie sich Respekt verschafft, im Anschluss müsse man allerdings zum konstruktiven Austausch bereit sein.
Gerade für Frauen sei es wichtig, gut vorbereitet zu sein. Brugger warnte außerdem davor, in Schubladen zu denken. Das behindert ihrer Ansicht nach die zielorientierte kreative Problemlösung. Joshua Bernhart vom Ravensburger Schülerrat möchte selbst in die Politik. Er sucht die richtige Partei für seine politischen Überzeugungen und bittet um Entscheidungshilfe.
Wichtig sei, sich die Frage zu stellen: Für welche Themen brenne ich und sich dann mit aller verfügbaren Leidenschaft einzubringen, erklärte Brugger. Eine Partei, deren Programm zu 100 Prozent mit den eigenen Vorstellungen übereinstimmt, gebe es schlicht nicht. Ruben Madlener, stellte fest, dass „extrem viel“gestritten werde in der Politik. Es werde nicht immer konstruktiv und rational an Themen gearbeitet. Agnieszka Brugger bestätigte diese Beobachtung, es gäbe außerdem eine Fraktion im Bundestag, die kein Interesse
an einer konstruktiven Lösung habe, sondern bevorzugt Ängste schüre. Ihr sei es lieber, einen Streit mit guten Argumenten auszutragen und gemeinsam eventuell einen dritten Weg zu entwickeln. Ziel sei schließlich, das Problem gelöst zu bekommen.
„Was würdet ihr in der Politik verändern?“, wollte Brugger schließlich von den jungen Leuten wissen. David Jung bemerkte, dass aktuell viele Entscheidungen sehr kurzfristig getroffen werden. Er fühle sich nicht ernst genommen. Auch Joshua Bernhart stimmte dem zu. Er hätte gern, dass die Jugendgremien mehr mit einbezogen werden und aktiv mitentscheiden können. Bei vielen Themen, zum Beispiel dem Klimaschutz, passiere außerdem nicht, was versprochen wurde, so die jungen Männer.
„Die Politik muss auch aus meiner Sicht mehr zuhören“, bestätigte Brugger. Sie ermutigte dazu, die „Wut zu nehmen und jetzt erst recht“zu versuchen, Einfluss zu nehmen. Mehr Empathie für die Situation der jungen Leute in der Corona-Krise wünscht sich Brugger von allen, denn „junge Leute sind nicht Schuld an den Infektionszahlen“.
Der digitale Jugend-Dialog fand erstmalig in dieser Form statt. Stefanie Nandi als Vertreterin des Veranstalters (Kreisjugendring Ravensburg) empfand die Veranstaltung als „unkompliziert“und „schnell auf die Beine gestellt“. Zielgruppe waren junge Leute zwischen 14 und 26 Jahren.