Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Mengener Feuerwehr hilft in Kroatien
Unterstützung für Einsatzkräfte der Partnerstadt – Nachbeben richten neue Schäden an
MENGEN/NOVSKA - Für elf Männer der Freiwilligen Feuerwehr Mengen (Landkreis Sigmaringen) fällt Silvester im eigenen Wohnzimmer aus. Sie sind am Mittwoch mit drei Feuerwehrfahrzeugen nach Kroatien gefahren, um dort ihren Kameraden aus der Partnerstadt Novska nach einem Erdbeben südöstlich von Zagreb bei der Bergung und den Aufräumarbeiten zu helfen.
„Wir sehen den Einsatz als unsere Verpflichtung an. Jetzt zeigt es sich, was die Partnerschaft zwischen Novska und Mengen wert ist“, sagt Mengens Kommandant Frank Seeger, der am Mittwochmorgen um 10.30 Uhr gemeinsam mit Mengens Bürgermeister Stefan Bubeck seine Mannschaft auf die zwölfstündige Fahrt nach Novska verabschiedet hatte. Nach einem Erdbeben der Stärke 6,4 am Dienstag lagen die Zentren der Kleinstädte Sisak und Petrinja in Trümmern, mindestens sieben Menschen starben. Unter den Toten war ein zwölfjähriges Mädchen, wie kroatische Medien am Mittwoch berichteten. Mengens Partnerstadt Novska, etwa 40 Kilometer vom Epizentrum entfernt, „ist mit ein paar Gebäudeschäden davon gekommen, Todesopfer gab es keine“, sagt Bubeck.
Auch am Mittwoch bebte die Erde noch. Das European-Mediterranean Seismological Centre (EMSC) meldete im Raum Petrinja drei Erdstöße der Stärke 4,8, 4,6 und 4,0. Über neue Opfer wurde zunächst nichts bekannt. Jene Ruinen, die zuvor noch nicht ganz eingestürzt waren, lägen nun in Trümmern, berichtete der Bürgermeister von Petrinja, Darinko Dumbovic, im staatlichen Fernsehen HRT. Insgesamt seien seit Montag, als erste Beben der Stärke 5,2 und 5,0 die Region um Petrinja erschüttert hatten, rund 40 Erdstöße verzeichnet worden, berichtete das Nachrichtenportal jutarnji.hr. Seismologen schließen weitere Erderschütterungen nicht aus.
Innerhalb weniger Stunden war es der Feuerwehr gelungen, eine Mannschaft zu rekrutieren, die sofort bereit war, alles stehen und liegen zu lassen, um weit weg von der Heimat einen außergewöhnlichen Einsatz zu leisten. Ein Einsatz, bei dem die Mengener Kameraden sich darauf einstellen müssen, weitere Tote unter den Trümmern zu finden. Aber darauf sind die elf Männer – Sanitäter, Notfallseelsorger und erfahrene Feuerwehrleute – vorbereitet. Eine zusätzliche Motivation brauchen sie nicht: „Denn durch die vielen Treffen der Partnerstädte sind viele Freundschaften entstanden. Die Kameraden kennen sich gut untereinander“, ergänzt Seeger.
Vor der Abreise mussten aber innerhalb kürzester Zeit einige Aufgaben erledigt werden. Die Feuerwehrleute informierten ihre Arbeitgeber, machten einen Corona-Schnelltest – die alle negativ ausfielen – stellten Schutzanzüge, Handschuhe und FFP2-Masken bereit, packten Proviant
und Getränke ein und rüsteten für mindestens fünf Tage ihre drei Fahrzeuge – den Mannschaftstransportwagen, das Fahrzeug für den Katastrophenschutz und das noch einsatztaugliche Fahrzeug mit der alten Drehleiter, das nach einem Beschluss des Gemeinderats sowieso den Freunden aus Novska als Spende versprochen war. Deren eigene Drehleiter ist mehr als 40 Jahre alt und verfügt nicht einmal über einen elektronisch steuerbaren Drehkorb.
Die Feuerwehr Mengen indes schaffte sich vor sechs Wochen ein neues Drehleiterfahrzeug für etwa 700 000 Euro an.
Während die Feuerwehrleute ihre Checkliste abarbeiteten, kümmerte sich Bubeck darum, dass es an den Grenzübergängen keine Probleme gibt, stimmte sich mit dem Konsulat ab, dass die Einreise nicht gefährdet ist. Er kontaktierte außerdem Mengens frühere Wirtschaftsförderin Gabriela Lutz, die inzwischen mit ihrem Lebensgefährten in Novska wohnt. Lutz organisiert für die Mannschaft private Übernachtungen in Novska. „Es ist toll, wie alles Hand in Hand funktioniert“, sagt Frank Seeger, der in Mengen die Stellung halten muss und seinem Stellvertreter Florian Pfau das Kommando übergibt, wobei die Menger Wehr bei ihrem Einsatz in Kroatien der Wehr in Novska unterstellt sein wird. „Wir haben geeignete Gerätschaften für den Einsatz dabei“, so Seeger.
Die Balkan-Region ist stark erdbebengefährdet, weil sich dort die afrikanische Platte unter die eurasische schiebt. Im März war Zagreb von einem Beben der Stärke 5,3 erschüttert worden.
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