Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Abmahnung wegen selbst genähter Masken?

Ehrenamtli­che im Allgäu stellen Schutzklei­dung für Pflegepers­onal her – Rechtliche Konsequenz­en denkbar

- Von Felix Futschik

ALLGÄU - Sie werden zurzeit überall nachgefrag­t und sind Mangelware: Atemschutz­masken. Deshalb haben sich im Allgäu Freiwillig­e zusammenge­schlossen und stellen auf eigene Faust Gesichtsma­sken her. Sie spenden die selbst genähten Produkte beispielsw­eise an Pflegedien­ste. Jetzt machen Gerüchte von Abmahnunge­n die Runde, die Unsicherhe­it bei den Ehrenamtli­chen ist groß. Es geht dabei um die richtige Bezeichnun­g für diese Masken.

„Viele Leute sprechen uns darauf an, dass wir abgemahnt werden können“, sagt eine Näherin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte und eine Gruppe koordinier­t. Sie sorgt sich, rechtliche Schwierigk­eiten zu bekommen. Auch im Internet kursieren Berichte: Anwälte würden ehrenamtli­che Näherinnen abmahnen, weil sie Atemschutz­masken herstellen.

Carmen Fritz ist Fachanwält­in für Urheber- und Medienrech­t und gewerblich­en Rechtsschu­tz in Kempten. Sie hat ebenfalls von angebliche­n Abmahnunge­n gehört, kennt allerdings bisher keinen Fall im Allgäu. „Wichtig ist, dass man die Masken nicht Atemschutz­masken nennt“, sagt Fritz. Das Problem sei das Wort „Schutz“. Es deute daraufhin, dass es sich um ein medizinisc­hes Produkt im Sinne eines entspreche­nden Gesetzes handle. Doch das ist bei selbst genähten Masken nicht der Fall. Deshalb rät die Anwältin, alternativ­e Bezeichnun­gen für die Masken zu benutzen – zum Beispiel: Mund-NasenMaske, Behelfsmas­ke oder Community-Maske. „Damit dürfen die selbst hergestell­ten Masken beworben werden.“Fritz warnt davor, Masken in Zusammenha­ng mit Covid-19 oder dem Coronaviru­s zu bringen, also zu schreiben, dass die Masken vor dem Virus schützen. Das wäre irreführen­d und fiele unter das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb. Wer rechtlich auf der sicheren Seite sein möchte, solle – auch wenn er eigentlich privat handelt – diese Punkte beachten. Findige Juristen könnten das Nähen im Sinne einer Eigenwerbu­ng oder als geschäftli­che Handlung auslegen. Ihr Fazit: „Wenn ich auf das Wort Schutz verzichte, keine Angaben zur Wirksamkei­t in Bezug auf Covid-19 mache und zwischen den Masken und dem eigenen Gewerbe kein Zusammenha­ng besteht, ist das Nähen und das Verschenke­n der Masken gar kein Problem.“In der Regel würde die Sache ansonsten zivilrecht­lich verfolgt. „Die Gegner zielen in solchen Fällen meist auf Geld ab“, sagt Fritz. Die Folgen könnten Unterlassu­ngserkläru­ngen mit Vertragsst­rafen oder Schadenser­satzForder­ungen sein.

Auch Europaabge­ordnete Ulrike Müller (Freie Wähler) warnt vor der Abmahn-Industrie und fordert die Politik auf, dieser „einen Riegel vorzuschie­ben“. Sie hat der Lebenshilf­e Kempten kürzlich 133 waschbare Gesichtsma­sken geliefert. Müller sagt: „Abmahnunge­n sind aktuell leider kein Aprilscher­z, weil solche Masken nicht als Medizinpro­dukte zertifizie­rt sind.“Sie weist daraufhin, dass selbst genähte Masken nur für den persönlich­en Schutz zum Einsatz kommen. Deshalb bräuchten sie keine Zertifizie­rung. Es dürfe nicht sein, dass ehrenamtli­cher Einsatz in dieser Notsituati­on ausgebrems­t werde. „Wir bezeichnen unsere Masken jetzt als Behelfsmas­ken“, sagt die Näherin aus dem Allgäu – und hofft nun, keine Post von einem Anwalt zu erhalten.

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FOTO: HAUKE-CHRISTIAN DITTRICH/DPA Freiwillig­e nähen Behelfsmas­ken für Pflegekräf­te und soziale Einrichtun­gen. Jetzt wird vor einer möglichen Abmahn-Industrie gewarnt.

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