Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Corona-Krise trifft Hochrisikopatient hart
Wie das Leben des Aulendorfers Reiner Rudolf erneut aus den Fugen gerät
AULENDORF - Dank einer Spenderlunge hat der Aulendorfer Reiner Rudolf im Dezember 2018 im Klinikum Freiburg ein neues Leben geschenkt bekommen (wir berichteten). Seither hat seine Lebensqualität enorm zugenommen. „Die wiedergewonnene Mobilität, ohne Sauerstoffgerät den Alltag zu bewältigen und sogar seit diesem Jahr wieder Sport machen zu können, war das Schönste für mich. Dass ich durch einen weltweiten Virus nun wieder ans Haus gebunden bin und mit mir auch Millionen anderer Menschen, ist wie ein großer Albtraum“, äußert der Transplantierte beim Telefonat mit der „Schwäbischen Zeitung“.
Mit drastischen Worten – „Herr Rudolf, wenn Sie dieses Virus bekommen, überleben Sie dies nicht“– habe ihn sein Hausarzt schon sehr früh auf die Gefahr durch das neuartige Coronavirus hingewiesen. Seither sind nicht nur die wöchentlichen Blutabnahmen in der Hausarztpraxis vor Ort ausgesetzt. Auch die normalerweise in vierwöchigen Abständen erfolgenden Untersuchungen in der Uniklinik wurden vorsorglich auf Eis gelegt. Dabei sind diese Maßnahmen Teil der lebenswichtigen immunsuppressiven Therapie, welche eine Abstoßung des Organs verhindern sollen. Diese Untersuchungen hätten ihm stets ein Gefühl der Sicherheit vermittelt, „wusste ich doch, dass aufgrund der einzelnen Ergebnisse die Dosis der täglich einzunehmenden, derzeit 24 Tabletten optimal eingestellt wird“.
Um die Untersuchungen auf unbestimmte Zeit auszusetzen, habe man gut abwägen müssen. Nun horche er stets in sich hinein, ob sich irgendwo in seinem Körper etwas verändere. Gott sei Dank habe er ein Gerät zu Hause, mit dem er das Lungenvolumen messen könne. Das und natürlich Fiebermessen gehöre momentan mehrmals täglich zu seinen Tätigkeiten. Im Moment gehe es ihm noch gut, aber seine Angst, dass das nicht so bleiben könnte, sei extrem. „Obwohl ich weiß, dass ich jederzeit meinen Hausarzt und natürlich die mich betreuende Ärztin in Freiburg anrufen kann und auch per Ferndiagnose in sehr guten Händen bin, lässt sich die Angst nicht völlig ausschalten“, gibt er zu.
Gemeinsame Spaziergänge alleine oder mit seiner Frau, weitab von Menschen, würden ein klein wenig helfen, die Angst in den Griff zu bekommen. Der Mundschutz, den er dabei trägt, gibt ihm Sicherheit. Dass dieser wirkungslos sein soll, wie teilweise zu lesen ist, kann er nicht nachvollziehen. „Und wenn dieser nur dazu beiträgt, dass die Menschen an den notwendigen Mindestabstand denken, hat dies einen Sinn.“Dass weder seine Frau noch er selbst Einzelhandelsgeschäfte aufsuchen würden, sei selbstverständlich. „Zu groß ist die Ansteckungsgefahr“, berichtet der Transplantierte von seinem Alltag. Die Medikamente würden direkt von der Apotheke geliefert, Lebensmittel besorgen Freunde.
Nach der größten Beeinträchtigung gefragt, hört man ein Schlucken in der Leitung und der Hochrisikopatient erzählt von Enkelin Ella (knappe eineinhalb Jahre), die gerade die ersten Worte babbelt und seit Neuestem durch die Wohnung von Sohn und Schwiegertochter läuft. „Diese Entwicklung nicht hautnah miterleben zu dürfen, sie in die Arme zu nehmen und dieses Opa oder Oma tatsächlich hören zu dürfen, tut richtig weh“, äußert er traurig. Er befürchtet, dass diese Situation noch einige Zeit anhalten wird und hofft auf das Verständnis der Bevölkerung: „Je mehr Menschen sich an die gesetzlichen Vorgaben halten, desto schneller wird die Krise hoffentlich überwunden sein.“