Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Neuer VfB-Trainer
Tim Walter kommt aus Kiel – auch im Falle des Abstiegs
STUTTGART (SID/falx/dpa) - Überraschend war am Ende nur noch der Zeitpunkt: Dass Tim Walter der neue Trainer des VfB Stuttgart werden würde, war seit Wochen ein ziemlich schlecht gehütetes Geheimnis am Wasen. Drei Tage vor dem ersten Relegationsspiel um den Bundesligaverbleib bestätigten die Württemberger nun die Verpflichtung des 43-Jährigen zur neuen Saison. Und die Stuttgarter lassen sich ihren Wunschtrainer sogar etwas kosten: Die Rede ist von einer Million Euro Ablöse, da Walter seinen Vertrag bei Holstein Kiel ein Jahr vor dem Ablauf beendet.
Der neue Trainer ist also sicher, die Ligazugehörigkeit jedoch längst nicht: Am Donnerstag (20.30 Uhr/ Eurosport-Player) erwarten die Stuttgarter den Zweitligisten Union Berlin zum Relegationshinspiel. In den beiden Partien soll noch Interimscoach Nico Willig verhindern, dass Walter einen Absteiger übernimmt. Der Vertrag des Neuen ist ligaunabhängig. Der 38-Jährige Willig wird dann trotz der unter seiner Regie zuletzt leicht verbesserten Leistungen wieder zur U19 zurückkehren. „Wir haben mit Tim Walter einen sehr guten Trainer für den VfB verpflichtet und freuen uns auf die Zusammenarbeit“, teilte Sportvorstand Thomas Hitzlsperger mit.
Der dreifache Familienvater entspricht dem von Hitzlsperger erstellten Profil: Walter steht für offensiven, mutigen und attraktiven Fußball, allerdings auch mit der Akzeptanz defensiver Anfälligkeiten. „Wir haben sehr ähnliche Vorstellungen und Ansichten vom Fußball und von der Art und Weise, wie wir arbeiten wollen“, sagte Walter.
Hitzlsperger und der neue Sportdirektor Sven Mislintat, der seit Mai im Amt ist, lobten übereinstimmend die Qualitäten des Trainers, der vor seinem Wechsel nach Kiel im Sommer 2018 die U23 und die U17 von Bayern München trainierte. Zum Rekordmeister war der gebürtige Bruchsaler im Jahr 2015 gegen eine Ablöse von 200 000 Euro vom Karlsruher SC gewechselt. Dort hatte er seine Trainerlaufbahn 2013 begonnen.
Mit den Kielern hatte Walter in der abgelaufenen Saison den sechsten Rang belegt – und das mit einer ansehnlichen und forschen Ausrichtung. 60 Tore schoss sein Team – ein Wert, der nur von den beiden Aufsteigern 1. FC Köln und SC Paderborn übertroffen wurde. Walter lässt seine Innenverteidiger in Kiel konsequent nach vorne verteidigen, setzt zudem auf Ballbesitz. Eine solch mutige Spielweise erhofft sich auch der VfB, der an einer akuten Offensivschwäche leidet.
Daher passe Walter „mit seiner Art und mit seiner Idee vom mutigen, offensiven Fußball hervorragend zum VfB“, sagte Hitzlsperger. Walter habe „auch einen sehr guten Blick und ein gutes Gespür für die Arbeit mit Talenten“, so Mislintat. Mit der U17 der Münchner gewann er 2017 die deutsche Meisterschaft, ein Jahr später wurde er mit dem zweiten Team des FCB Vizemeister in der Regionalliga. Dies kann nun als Fingerzeig für die kommende Ausrichtung am Wasen angesehen werden. Hitzlsperger verkündete, dass man nun den „Blick verstärkt auf den eigenen Nachwuchs richten“wolle. Nach der Titelentscheidung der Relegation.
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„Ich danke Holstein Kiel für eine tolle gemeinsame Saison und für das Verständnis dafür, dass ich mich für den Wechsel zum VfB Stuttgart entschieden habe“, wird Walter in einer Mitteilung zum Abschied zitiert. Er wolle nun mithelfen, „eine positive Entwicklung“beim VfB einzuleiten.
Der VfB bekommt nun einen Trainer mit einem Selbstbewusstsein, das bisweilen freilich an die Grenze zur Arroganz schrammt. Die mediale Idylle in Kiel und die geringe Erwartungshaltung boten Walter die ideale Startrampe für eine Karriere als Proficoach. Wenn er sich speziell nach Niederlagen schroff, abweisend, teils sogar abfällig über Gegner oder auch Journalisten äußerte, gab es kein großes Nachbeben. Das könnte sich in Stuttgart ändern. „Wir haben uns ein umfassendes Bild von Tim gemacht und viele gute Gespräche geführt“, sagte Mislintat.
Alle anderen Erkenntnisse wird dann wohl die kommende Saison bringen – in welcher Liga auch immer.