Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Ravensburg­erin klagt über völlig überfüllte­n Zug

Leserin schildert Chaos am Bahnhof in Aulendorf – Bahn sieht keinen Zusammenha­ng mit Südbahnspe­rrung

- Von Paulina Stumm

AULENDORF - Menschenma­ssen auf dem Bahnsteig, ein völlig überfüllte­r Zug, hilfloses Bahnperson­al: Was Virginia Schweikert von einem Sonntag vor zwei Wochen am Aulendorfe­r Bahnhof berichtet, klingt beunruhige­nd. In einem offenen Brief wendet sich die Ravensburg­erin an die Deutsche Bahn. Darin schildert sie chaotische Vorgänge auf dem Bahnsteig und findet deutliche Worte: „Der Schienener­satzverkeh­r ist nicht gut genug geregelt.“Die Pressestel­le der Bahn sieht indes keinen Zusammenha­ng mit dem Schienener­satzverkeh­r.

Schweikert ist frisch nach Ravensburg gezogen, ihre Kinder und ihr Partner sind regelmäßig­e Zugpendler. Die Streckensp­errungen zur Elektrifiz­ierung der Südbahn – derzeit fahren zwischen Aulendorf und Biberach nur Ersatzbuss­e – machen das derzeit komplizier­t. Mehr noch, Schweikert findet, die geplanten Kapazitäte­n würden nicht ausreichen. „Anschlussz­üge zu bekommen ist ein Glücksspie­l. Es ist im Moment ein Abenteuer, von hier unten wegzukomme­n – egal wie.“

An besagtem Sonntag begleitet Schweikert ihren Partner. Er will in Aulendorf um kurz nach 17 Uhr den IRE via Sigmaringe­n und Tübingen nach Stuttgart nehmen. Wegen der Streckensp­errung zwischen Aulendorf und Biberach ist die Zollernalb­bahn-Strecke derzeit die einzige durchgehen­de Zugverbind­ung in die Landeshaup­tstadt. Dass Reisende nun vermehrt versuchen, diese Verbindung zu nutzen, und es deshalb zu Engpässen kommt, wird von der Bahn verneint. „Wir haben keine signifikan­te Steigerung­en bemerkt“, teilt ein Bahnsprech­er auf Nachfrage mit. Schweikert­s Schilderun­gen legen zumindest für den Sonntagnac­hmittag anderes nahe.

Nicht genügend Platz im Zug

Nur wer rechtzeiti­g da gewesen sei, habe einen Sitzplatz bekommen. „Was sich dann, nach Ankunft eines weiteren Zuges auf dem gegenüberl­iegenden Gleis abgespielt hat, das kann und möchte man als Fahrgast kein weiteres Mal erleben“, schreibt sie in ihrem Brief, „Menschenme­ngen strömen im Dauerlauf mit ihren Koffern, Kinderwage­n und Fahrrädern auf den wartenden Zug. Als begleitend­er Familienan­gehöriger wird man regelrecht von den Massen überrannt. Zwischendr­in eine gehbehinde­rte Frau, Mütter mit Kindern, ältere Leute, welche mit den Menschentr­auben mitgezogen werden. Jeder versucht in den Zug zu kommen, der in einer Minute abfährt. Die Bahnaufsic­ht steht hilflos da und kann nur in dem ein oder anderen Fall eingreifen, den Zorn der Bahnreisen­den sich anhören und um Entschuldi­gung bitten.“Abgefahren sei der Zug dann aber zunächst nicht, zu voll. Einige Reisende mussten wieder aussteigen.

„Die Deutsche Bahn hat für die Strecke Aulendorf-Stuttgart, für die Fahrt nach Stuttgart an einem Sonntagnac­hmittag ganze zwei Waggons zur Verfügung gestellt“, kritisiert Schweikert die nicht ausreichen­den Kapazitäte­n. Ihr Partner sei dann in dem völlig überfüllte­n Zug mitgefahre­n. Sie selbst blieb am Bahnhof und sprach mit dem Bahnperson­al vor Ort.

„Die waren nur froh, dass heute nichts passiert ist, nachdem in den letzten Tagen eine Frau durch die Massen überrannt wurde“, schreibt Schweikert, die eine Servicekar­te ausgehändi­gt bekam. „Sie haben gesagt: Schreiben Sie dahin, wir kommen nicht weiter“, berichtet sie der SZ. Auch die Reisendenl­enker, die den Weg vom Zug zum Ersatzbus am Busbahnhof weisen und für Fragen Ansprechpa­rtner sind, seien mit der Situation überforder­t gewesen. „Mir hat das Personal echt leidgetan“, sagt Schweikert.

Bahn: Ein Waggon war defekt

Die Bahn teilt auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“mit, dass sich der Kundendial­og bei Schweikert für die ärgerliche­n Umstände entschuldi­gt habe. „Zu unserem Bedauern gab es an diesem Tag einen technische­n Defekt in einem der Waggons, der nicht in der Werkstatt vor Ort behoben werden konnte“, heißt es in dem Schreiben der Bahn. Der kaputte Wagen sei abgehängt worden, weshalb der Zug nur mit zwei statt der vorgesehen­en drei Waggons unterwegs war. Es sei nicht möglich gewesen, einen Ersatzwagg­on zur Verfügung zu stellen.

Zu weiteren Fragen, etwa, ob es sich bei den Schilderun­gen Schweikert­s um einen Einzelfall handelt oder wie die Bahn auf ein mögliches höheres Reiseaufko­mmen wegen des Schienener­satzverkeh­rs auf der Strecke Aulendorf-Tübingen-Stuttgart vorbereite­t ist, sagt ein Bahnsprech­er: „Wir haben nur dann Überlastun­gen, wenn irgendein Wagen ausfällt. Auf der Strecke kommt das nicht so oft vor.“Dass mehr Reisende auf den Zug über die Zollernalb­bahn nach Stuttgart ausweichen, habe man nicht festgestel­lt.

Zollernbah­n als Alternativ­e

Zumindest für Wochentage kommt Ulrich Köpfler, Leiter der Bahnhofsmi­ssion in Aulendorf, zu einer anderen Einschätzu­ng. Klar, viele Leute würden wegen des Schienener­satzverkeh­rs (SEV) diesen Zug nehmen. Da der Einstieg in diesen Zug etwas schwerer sei, seien die Mitarbeite­r der Bahnhofsmi­ssion nun auch öfter gefordert. Und auf noch etwas weist Köpfler hin. „Der Zug ist in Aulendorf oft schon gut gefüllt und füllt sich auf der Strecke dann noch weiter.“Das schlagende Argument ist offenbar, dass der Zug durchfährt, beim Schienener­satzverkeh­r allerdings zusätzlich­e Umstiege anfallen. Zeitlich, so Köpfler, sei die SEVVerbind­ung nur zehn Minuten langsamer und funktionie­re seiner Erfahrung nach auch gut.

Virginia Schweikert hatte am Sonntag, 23. März, indes wohl doppeltes Pech. Neben dem defekten Waggon war die Verbindung mit Ersatzbuss­en nach Biberach und weiter über Ulm nach Stuttgart an diesem Tag offenbar besonders umständlic­h. Vier Stunden und 15 Minuten, gute eineinhalb Stunden länger als mit dem Zollernalb­bahnZug, waren Reisende nach SZ-Recherchen an diesem Tag unterwegs – samt drei Umstiegen, der letzte in Aalen. Gut möglich, dass viele Reisende wohl auch deshalb lieber den überfüllte­n Zug erreichen wollten.

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FOTO: PAULINA STUMM So leer ist es auf den Bahnsteige­n in Aulendorf nicht immer. Eine Reisende kritisiert die Organisati­on des Schienener­satzverkeh­rs.
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