Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Merkel sieht planlose Briten in der Pflicht
EU-Politiker machen nach dem Nein zum Vertrag Druck – May übersteht Misstrauensantrag
LONDON/BERLIN/STUTTGART Die EU fordert schnelle Ansagen aus London, die britische Politik ist mit sich selbst beschäftigt: Nach dem deutlichen Nein zum Brexit-Vertrag ist keine Lösung für den EU-Austritt Großbritanniens in Sicht. EU-Spitzenpolitiker schlossen eine Neuverhandlung des Abkommens aus. London müsse nun alleine eine Lösungsmöglichkeit entwickeln, wurde Kanzlerin Angela Merkel am Mittwoch nach einer Sitzung im Auswärtigen Ausschuss zitiert. „Bitte, bitte, bitte, sagt uns endlich, was ihr erreichen wollt“, forderte Manfred Weber (CSU), Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, von den Briten.
Im Unterhaus überstand derweil Theresa May am Abend in London wie erwartet den Misstrauensantrag der Opposition. Die Premierministerin möchte nun am Montag einen Plan B vorlegen, um einen chaotischen EU-Austritt – geplanter Termin ist der 29. März – doch noch zu verhindern. Auch Merkel will ihre Bemühungen um einen geregelten Brexit fortsetzen: „Wir wollen den Schaden – es wird in jedem Fall einen Schaden geben durch den Austritt Großbritanniens – so klein wie möglich halten.“Man sei aber auch für den anderen Fall vorbereitet.
Baden-Württembergs Europaminister Guido Wolf (CDU) hält eine Verschiebung des Austrittstermins für denkbar. Er sagte der „Schwäbischen Zeitung“: „Etwas Zeitgewinn halte ich für vertretbar. Voraussetzung dafür muss aber sein, dass eine Lösung des Problems auf britischer Seite in absehbarer Zeit erkennbar ist.“Die Europawahl im Mai sei hier „die absolute zeitliche Grenze“. Der Brexit wirft seine Schatten auch auf die Wirtschaft im Südwesten. Das belegen aktuelle Zahlen aus dem Landeswirtschaftsministerium. In den ersten zehn Monaten des Jahres 2018 sind die Ausfuhren nach Großbritannien im Vergleich zu 2017 um 12,2 Prozent eingebrochen. Die Einfuhren sanken um 14 Prozent. Damit verfestigt sich der Rückgang der Handelsbilanz mit Baden-Württembergs sechstwichtigstem Handelspartner: Bereits von 2016 auf 2017 gingen die Ausfuhren um 8,7 Prozent und die Einfuhren um 5,6 Prozent zurück.
LONDON (AFP) - Großbritannien droht im Chaos zu versinken, doch die Volksvertreter setzen Prioritäten: Noch vor dem Misstrauensvotum gegen Premierministerin Theresa May am Mittwochabend befassen sich die Parlamentarier mit der Höhe von Briefschlitzen in Eingangstüren.
Die konservative Abgeordnete Vicky Ford, die den Antrag im Unterhaus eingebracht hatte, sagte, es sei eine Frage der „Gesundheit und Sicherheit“für Postboten. Ständiges Bücken führe zu Rückenschmerzen und erzeuge Stress. Ford ergänzte: „Nicht alle europäischen Standards sind schlecht.“Die EU schreibe eine Mindesthöhe von 70 Zentimetern für Briefschlitze in Türen vor.