Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Urlaub, um etwas zurückzugeben
Ohne die Ehrenamtlichen würde es den Christkindlesmarkt in Ravensburg so nicht geben
RAVENSBURG - Viele Ravensburger und Besucher der Stadt wird es freuen, dass der Christkindlesmarkt in diesem Jahr bis zum 22. Dezember geöffnet bleibt. Für Vereine und Organisationen, die ihre Hütten in der Ravensburger Innenstadt ehrenamtlich betreiben, wird die lange Marktdauer allerdings zu einer echten Herausforderung. Denn wer soll die ganzen Dienste übernehmen? Im Vorfeld gab es darüber viele Diskussionen. Die Stadt hat inzwischen die Zeiten, zu welchen die Stände geöffnet haben müssen, gelockert. Ein Kraftakt bleibt es trotzdem.
Ernst Gerlach (74) und Wolfgang Siewert (84) verkaufen an diesem Vormittag Würstchen und Glühwein in der Hütte des Tennisclubs. „Die jungen Mitglieder schicken wir an die Arbeit“, sagt Gerlach, der noch selbst aktiv Tennis spielt. „Wir Senioren können dann die frühen Schichten übernehmen.“Es sei zwar jedes Jahr aufs Neue eine Herausforderung, sämtliche Hüttendienste zu besetzten. „Aber wir sind ein großer Verein. Insgesamt 40 Mitglieder sind auf dem Christkindlesmarkt aktiv“, so Siewert, „ich glaube aber, dass es kleinere Vereine schwer haben könnten.“
13 der rund 70 Hütten werden von Vereinen und anderen karitativen Organisationen betrieben. All jene sind mit einem goldenen Stern mit der Aufschrift „sozial engagiert“gekennzeichnet. Bei 23 Tagen Weihnachtsmarkt und täglich drei Schichten, die die meisten Vereine einplanen, kommen 69 Schichten zusammen. Oder mehr als 200 Stunden ehrenamtlicher Arbeit. Im Gegensatz zu den gewerblichen Standbetreibern dürfen die Vereine ihre Hütten bis 14 Uhr geschlossen halten. Davon hat aber zumindest an diesem Tag keiner der Vereine Gebrauch gemacht.
Auch die Royal-Rangers, die Pfadfindergruppe der Freien Christengemeinde Raensburg, sind auf dem Christkindlesmarkt vertreten und verkaufen Glühwein, Waffeln und Maultaschenburger. Von 17 bis 19 Uhr gibt es in einem Zelt nebenan noch Stockbrot: typisch Pfadfinder eben. Simona Stehle ist für 15 Schichten eingetragen und trotzdem weist der Plan noch einige Lücken auf. Die 26-Jährige hat sich extra drei Wochen Urlaub genommen, um etwas zurückzugeben, wie sie sagt: „Ich kann es nicht sehen, wenn Leute Hilfe benötigen. Mir wurde schon selbst oft im Leben geholfen. Deshalb bin ich seit drei Jahren hier. Und es macht mir natürlich auch großen Spaß, mit den Menschen in Kontakt zu kommen.“
Nahezu den ganzen Bereich hinterm Rathaus haben der Round-Table Ravensburg und der Ladies’ Circle mit ihren Glühweinhütten in Beschlag genommen. Sie gönnen sich morgens eine halbe Stunde mehr und öffnen ihre Hütten erst um 11.30 Uhr. „Die Mittagspause der vielen Angestellten, Studenten und Schüler wollen wir dann doch mitnehmen“, sagt Alexander Bentele, stellvertretender Vorsitzender des Round-Table. Der 32-Jährige ist selbst auf dem Christkindlesmarkt und bereitet die Hütte zusammen mit dem Old-Tabler Reiner Reithmeier (80) auf den ersten Ansturm vor: „Eine Herausforderung ist es natürlich, aber wir haben uns schließlich auf die Fahnen geschrieben, etwas für die Region zu tun.“Bentele kann sich vorstellen, dass sich der Einzelhandel und auch die Bürger der Stadt über den langen Christkindlesmarkt freuen werden. Er räumt allerdings auch ein: „Aber bei uns jubelt natürlich keiner, wenn wir am Tag vor Weihnachten die Hütten abbauen müssen. Aber das bekommen wir schon hin: Rund um Weihnachten ist man Stress schließlich gewohnt.“