Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Siebtklässler probieren Berufe aus
Azubis aus vier Handwerksbetrieben informieren über Ausbildungen.
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BAD WALDSEE - Werkrealschüler stehen nach dem Abschluss vor der Entscheidung, eine weiterführende Schule zu besuchen oder eine duale Ausbildung zu beginnen. Doch woher sollen Jugendliche wissen, welcher Beruf am besten zu ihnen passt, damit sie die Lehre auch durchziehen? Die Döchtbühlschule in Bad Waldsee bietet deshalb bereits ihren Siebtklässlern ein zweiwöchiges Berufswahlcamp an. Dabei waren erstmals vier Handwerks- und Industriebetriebe samt Azubis vor Ort und die Schüler erfuhren aus erster Hand, auf was es bei einer Ausbildung ankommt.
Mit großem Geschick hantiert der 14-jährige Robert an einem Kabel und stellt am Infostand der Firma Kessler im Jugendkulturhaus ein Verlängerungskabel her. „Das macht Spaß, ist mehr Praxis als Theorie und ich könnte mir schon vorstellen, eine Ausbildung im Bereich Elektro zu beginnen“, sagt der Siebtklässler und nimmt seinen Blick kaum weg vom Schraubenzieher. „Ich kann eine solche Ausbildung bei Kessler nur empfehlen, da lernt man so viel und wird überall eingesetzt – für mich war das echt klasse“, bestätigt Max Buschbacher. Er hat seine Lehre in der genannten Firma absolviert und stand den Schülern beim Berufswahlcamp deshalb bereitwillig Rede und Antwort.
Neben Kessler präsentierten im Rahmen dieser praxisnahen Berufsvorbereitung auch die örtlichen Betriebe Mast Kunststoffe, Jehle Holzbau und Friseur Sie & Er das jeweilige Berufsprofil und die Lehrinhalte. Wer sich für den Zimmermannberuf interessierte, der durfte im „Prisma“an einem kleinen Dachstuhl aus Holz beherzt den Hammer schwingen. Auch Mädchen wagten sich hier vor. „Aber für mich wäre das glaub’ nichts“, sagt Jazmin (13) und legt das Arbeitsgerät wieder zur Seite. Immer an der frischen Luft zu arbeiten sei „zwar schon toll, aber es ist auch ein körperlich anstrengender Beruf “, meinte sie.
Dicht umlagert waren auch die Azubis von Mast Kunststoffe und beantworteten die Fragen der Schüler nach Werkstoffen, Arbeitszeiten und Prüfungsinhalten. Große Begeisterung für ihren künftigen Friseurberuf verströmte die 25-jährige Vera, die bei „Sie & Er“im dritten Lehrjahr ist. „Ich bin gerne in Kontakt mit Menschen und ich liebe es, ihnen schöne Frisuren zu machen, die zu ihrem Typ passen“, strahlt die ausgebildete Chemikerin, die derzeit ihre zweite Ausbildung macht. Und der Funke springt gleich über auf Sefika (12), die mit Kamm und Haar-Accessoires ganz geschickt frisiert. „Ich mache das gerne, aber der Verdienst ist bei Friseuren halt leider nicht so hoch“, gibt die Siebtklässlerin zu bedenken. Antwort Veras: „Aber wenn du freundlich bist zu Deinen Kunden, dann bekommst du ein gutes Trinkgeld dazu!“
Für Ausbildung im Handwerk begeistern
Organisiert wird diese zweiwöchige Berufsorientierung für die beiden siebten Klassen der Döchtbühlschule von Hilde Purkart, die in der Leitung des Ganztagesbereiches, der Schulsozialarbeit und der Karrierebegleitung tätig ist. „Aufgrund des großen Fachkräftemangels und der aktuell geringen Bereitschaft Jugendlicher, einen handwerklichen Beruf zu ergreifen, habe ich in diesem Jahr gleich vier Firmen mit ihren Azubis eingeladen, damit unsere Schüler typische handwerkliche Aufgaben ausprobieren können und mit jüngeren Menschen über den Beruf sprechen können“, erläutert Purkart ihre Beweggründe.
„Wir möchten die Schüler für eine Ausbildung im Handwerk begeistern, zumal viele Betriebe Not haben, Azubis zu finden und weil es auch hier Karrierechancen gibt. Zudem würde eine Lehre für viele unserer Schüler mehr Sinn machen, als eine weiterführende Schule zu besuchen“, weiß Purkart aus Erfahrung. „Leider brechen die meisten diese wieder ab und dann haben sie nichts gewonnen.“
Schüler erfahren etwas über ihre Stärken und Schwächen
Die Jugendlichen waren beim Berufswahlcamp, das bewusst nicht in Schulräumen abgehalten wurde, mit Interesse dabei. „Es ist ’mal etwas anderes als nur Theorieunterricht und hier erfahren sie auch erstmals etwas über ihre Stärken und Schwächen, die sie für bestimmte Berufe eher qualifizieren als für andere“, betont Purkart. Ihre Arbeit als Karrierebegleiterin wird übrigens zu 40 Prozent von der Stadt Bad Waldsee und zu 60 Prozent vom Bildungsbüro Ravensburg über das EU-Programm „Interreg V“finanziert.