Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Stotter-Starter geigen sich die Meinung
Manuel Neuer: Hauptursache für Probleme liege „bei den Führungsspielern“
SOTSCHI (SID/dpa) - Es knirscht ordentlich beim Weltmeister. Sogar so sehr, dass Kapitän Manuel Neuer die Journalisten der Pressekonferenz beinahe eine Stunde warten ließ. Vorher stand in Watutinki noch eine interne Krisensitzung auf dem Plan, in der die Mexiko-Pleite mit deutlichen Worten analysiert wurde. „Es war ein Wachrüttler. Natürlich kann einiges passieren. So stark wie nach dem Mexiko-Spiel war die Kommunikation in unserer Mannschaft noch nie. Ein gutes Zeichen. Man merkt, dass sich viele Spieler einbringen wollen“, so der Torwart. „Wir sind unsere schärfsten Kritiker und sauer auf uns selbst“, sagte Neuer nach der emotionalen Krisensitzung der Start-Versager. Das Spiel gegen die kampfstarken Schweden am Samstag in Sotschi, seit dem goldenen Confed-Cup-Sommer der russische Lieblingsort von Bundestrainer Joachim Löw, soll dabei zum Schlüssel werden.
„Ich freue mich auf den Tapetenwechsel“, sagte Neuer, „wir sind froh, dass wir was anderes erleben, eine andere Stadt, ein anderes Stadion.“Am liebsten hätten die Weltmeister das 0:1 gegen Mexiko „noch am gleichen Tag“wettgemacht. Die Zuversicht in der Mannschaft ist laut Neuer ungebrochen. „Wir sind fest überzeugt: Wenn wir das, was wir haben vermissen lassen, auf den Platz bringen, werden wir das nächste Spiel und auch gegen Südkorea gewinnen.“
Wenn. Während sich Löw unter Ausschluss der Öffentlichkeit als Krisenmanager betätigte (Neuer: „Der Bundestrainer weiß auch, wie die Situation ist“), nahm sein Anführer die erfahrene Rio-Achse in die Pflicht. Die „Hauptursache“, dass der deutschen Nationalmannschaft das erste Vorrunden-Aus bei einer WM drohe, liege „bei den Führungsspielern“, sagte Neuer. Diese hatten gegen Mexiko „nicht die Bereitschaft, es selbst zu organisieren und die Sache in die Hand zu nehmen“.
Confed-Cup-Oase als Ruhepol vor Endspiel gegen Schweden
Die Folge? Hektische Betriebsamkeit im deutschen Lager. Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff begrüßte die Tacheles-Aktion. „Ich mag, dass Bewegung und Reibung da ist“, sagte er der ARD, „es wäre schlimm, wenn jeder auf sein Zimmer gehen würde und es wäre Friede-Freude-Eierkuchen.“Es sei „gut, dass die Unzufriedenheit da ist, die Spieler untereinander diskutieren und auch mit uns, mit den Trainern“. Schließlich habe die Mannschaft den Start „verbockt“. Was jetzt zu tun ist, verdeutlichte Abwehrchef Jérôme Boateng. „Wir sollten nicht auf Unentschieden spielen. Aber wir sollten auch nicht auf Teufel komm' raus alle wieder nach vorne rennen. Wir müssen vor allem zielstrebiger spielen“, sagte der Weltmeister. Boateng forderte: „Wir müssen im letzten Drittel mehr ins Risiko gehen, auch wenn man dann mal die Bälle verliert. Wir müssen mehr zum Torabschluss kommen.“Neuer appellierte, im Defensivspiel den früher gewohnten „Mut“zu zeigen. Es reiche nicht mehr, den „Stiefel“der makellosen Qualifikation runterzuspielen.
Die Konstellation ist klar: Im Falle einer deutschen Niederlage ist die Mannschaft raus, falls Südkorea nicht gegen Mexiko gewinnt. Jeder müsse sich jetzt fragen: „Bin ich bereit, alles für die Mannschaft, für unser Team zu geben?“, forderte Neuer.