Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Zusammen kentern, zusammenhalten
Kanupolo in Friedrichshafen: Turbulenter Ballsport auf dem Bodensee
● FRIEDRICHSHAFEN - Aus dem Vereinsheim des Kanusportvereins im VfB Friedrichshafen am Seemooser Horn kommen nach und nach die Kanupolosportler – in Neoprenanzügen. Am Ufer setzen sie ihre Helme mit Gesichtsgittern auf, klemmen sich ihr Kanu unter den einen, unter den anderen Arm das Paddel. Sie gehen einen langen, steinernen Steg entlang und lassen sich dann in die Wellen gleiten.
Und die verlangen den Kanuten an diesem Vorfrühlingstag einiges ab. Vom Ufer aus sieht man sie auf und ab pendeln, die Natur schüttelt sie durch. Das benötigt Kraft, um sich aufrecht zu halten, nicht zu kentern und im unglücklichsten Fall aussteigen zu müssen. Während sich ein Teil bereits ein wenig aufwärmt, ziehen andere die großen, rund 25 Kilogramm schweren Tore in den kalten See – beobachtet von einem eindrucksvollen Alpenpanorama. Nach knapp 50 Metern auf dem Wasser versenken die Kanupolospieler Betonklötze, die an den Toren befestigt sind. Eine Schnur mit schwimmenden Bällen grenzt das Spielfeld ab.
Auf dem windigen See krachen die ersten Kanus ineinander, der orangene Ball fliegt durch die Luft. „Beim Kanupolo geht es turbulent zu. Da ist es auch erlaubt, den Gegenspieler ins Wasser zu schubsen“, sagt Trainer und Kanupoloreferent Jonas Kallfass vom VfB. Paddel und Hände fliegen durcheinander, wie beim Handball preschen die Kanuten von einem Tor zum anderen. Einer fischt den Ball nach einem Pass aus dem Wasser, lehnt sich zurück und wirft. Klatschend prallt der Ball gegen das hochgestreckte Paddel des Torwarts – Treffer verhindert. Das bunte Knäuel ist bereits wieder auf dem Weg in die andere Richtung. Und da fällt das erste Tor, der Ball landet im Netz, fällt durch ein Loch an der Unterseite hindurch und klatscht auf die Wasseroberfläche.
Prallen zwei Spieler ineinander oder verhilft einer dem anderen zu einer 180-GradDrehung, steckt dieser kopfunter im See. „Damit man unter Wasser nicht aussteigen muss, sollte man die Kenterrolle beherrschen“, sagt Kallfass. Diese trainieren die Kanuten vor allem im Winterhalbjahr im Hallenbad. Bei der Rolle dreht sich der Gekenterte aus eigener Kraft wieder zurück an die Wasseroberfläche. Muss er aussteigen, dann führt der Weg ans Ufer zurück – ein Wiedereinstieg ist nur sehr schwer möglich.
„Bislang ist beim Kanupolo noch keiner ertrunken oder ums Leben gekommen. Zumindest nicht, dass ich es wüsste“, erzählt Thomas Pai, der Co-Trainer. Unfälle gab es dennoch, auch wenn sie glimpflicher ausgegangen sind. Die Abteilung Kanupolo entwickelt sich erst seit rund fünf Jahren, den Kanusportverein aber gibt es bereits seit 1934. „Unsere ersten Tore haben wir noch selbst gebaut“, erzählt der 22-jährige Kallfass.
Bei einem ähnlichen Wellengang wie an diesem Trainingstag sei es dann passiert. Dem Tor habe eine Arretierung gefehlt, es kippt um, knallt einem der Spieler auf den Kopf. „Er war bewusstlos“, sagt Kallfass. „Der Helm hat den Aufprall abgeschwächt, er hatte eine leichte Gehirnerschütterung“, ergänzt Fritz Stemmer, der Abteilungsleiter Kanusport im Häfler VfB. Das Tor wurde umgehend aus dem Verkehr gezogen, neue beschafft. „Die haben wir vom Kanuverband Baden-Württemberg bezogen“, sagt Stemmer. Kosten: 3000 Euro. „Die sind unfallsicher.“
Trotz kleinerer Unfälle und so manchem Crash steht für die Kanupoloabteilung vor allem der Spaß im Vordergrund. Allerdings wird das Team so langsam auch wettkampforientierter. „Dieses Jahr hat die Saison in Horb auf einem Turnier begonnen“, so Kallfass. Zwar ein Spaßturnier, allerdings treten dort auch sehr gute Mannschaften an. „Wir hatten die große Ehre, gegen die schweizer Damennationalmannschaft anzutreten“, sagt der 22-Jährige. Und das Ergebnis? „Die haben uns komplett demoliert.“
Als es dämmert und die letzten Kanuten aus dem Wasser steigen, lodert bereits das Feuer vor dem Vereinsheim. Statt Wasser spritzen jetzt die Funken, das Grillgut brutzelt vor sich hin. Viele Vereinsmitglieder sind da, sitzen beisammen. Zudem feiert ein 16-Jähriger Geburtstag. „Der bekommt heute sein erstes Bier“, heißt es. Der Zusammenhalt scheint groß. Scheinbar getreu dem Motto: „Wer zusammen kentert, hält auch an Land zusammen.“
„Beim Kanupolo geht es turbulent zu. Da ist es auch erlaubt, den Gegenspieler ins Wasser zu schubsen.“Jonas Kallfass, Kanupolotrainer beim VfB Friedrichshafen