Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Der extreme Einzelgänger
Ausnahme-Alpinist Jost Kobusch fasziniert beim „Talk im Bock“seine zahlreichen Zuhörer
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LEUTKIRCH - Was macht man, wenn man im westfälischen Borgholzhausen aufgewachsen ist und unter solcher Höhenangst leidet, dass man sich nicht traut, im Schwimmbad vom Dreimeterbrett zu springen? Ganz klar: Man wird Bergsteiger. Genauer gesagt Extrembergsteiger. Noch genauer gesagt Solo-Extrembergsteiger, der heute mit seinen 25 Lenzen einer der jüngsten 8000Meter-Bezwinger ist und einer der bekanntesten dazu.
Das mit dem Bekanntheitsgrad ist allerdings nur zufällig sein Verdienst, weil er nämlich 2015 in einem Everest-Basiscamp in 5360 Metern Höhe in eine Lawine geriet, die 18 Tote forderte und die Kobusch in einer Art Reflex auf Video festhielt, das seitdem zigmillionenfach geklickt wurde. „Es war eine Staublawine, keine Schneelawine“präzisiert Kobusch. „Wäre es eine Schneelawine gewesen, säße ich jetzt nicht hier. Das zu überleben, war wie eine Wiedergeburt.“
Eine zweite Chance, die Kobusch zur Reflexion nutzt und zum Überdenken seines Lebensweges. „Ich war 22 und überlegte, was sollst du machen? Nach der Lawine war klar: kein Medizin-Studium. Jetzt lebe ich vom Bergsteigen und mache das, was ich immer machen wollte. Ich bin ja eigentlich Bergsteiger und kein Lawinenfilmer.“
Bergsteiger ist für das, was der ehemalige Gebirgsjäger der Bundeswehr macht, schlichtweg eine Untertreibung. Den Unterschied zwischen einem gewohnten Felsenkraxler und einem Ausnahmetypen wie Jost Kobusch kitzelt die prima präparierte Moderatorin Jasmin Off am Montagabend im proppenvollen Bock-Saal beim 196. „Talk im Bock“behutsam aus ihrem Interviewpartner heraus. Kobusch ist nicht bloß Extrembergsteiger, sondern auch Solosportler, Einzelgänger und Purist: „Träger oder Sauerstoff zu benutzen ist für mich Schummelei. Solobergsteigen ist für mich eine Art Mediation. Solo Bergsteigen heißt mit möglichst wenig Hilfsmitteln unterwegs zu sein, keine Seile, keine Sherpas. “
Das klingt nach Reinhold Messmer, der ja auch viel Wert darauf legte, seine 8000er ohne Sauerstoff bezwungen zu haben. Beim Stichwort Messmer hält Kobusch inne: „Ich sag jetzt besser nichts Falsches.“ Und schiebt ein „Ich bin total gut zu sprechen auf die B-Prominenz.“Den Rest kann man sich denken. Man muss nicht alles haarklein ausdefinieren, schon gar nicht bei alpinistischen Alphatieren.
Obwohl Kobusch ein feiner Erklärer ist und die Differenz zwischen Allein und Einsam fein säuberlich rhetorisch herausziseliert: „Wenn ich allein am Berg bin, dann bin ich nicht einsam, sondern in einem Flow. Früher war ein Berg für mich ein Sportgerät.“
Diese Einstellung hat sich fundamental geändert, der Ehrgeiz, neue Pfade zu begehen, nicht: „Mir geht’s darum, Sachen zu machen, die noch nicht gemacht wurden.“Neue Herausforderungen zu finden und diese zu bewältigen.“Im Zweifelsfall auch mal zu scheitern und daraus zu lernen wie einst bei der Besteigung des Mount Kenia: „Das ist das Matterhorn Afrikas. Ich stand am Ende nicht auf dem Gipfel, aber ich habe daraus unheimlich viel gelernt.“
Kobusch macht für seine 25 Jahre einen erstaunlich abgeklärten Eindruck , was vielleicht auch damit zusammenhängt, dass seine Entwicklungskurve vom Höhenangstgeplagten Flachländer zum Extrem-Alpinisten kurvenreich verlief: Bundeswehr, Security-Mann in einer Fleischfabrik, Touristen-Guido in Spitzbergen. Jetzt studiert er Sportmarketing in Chemnitz („bin nur noch vier bis 5 Monat am Berg“), verdient dank seines Sponsors Black Yak gutes Geld und ist auch als Buchautor („Ich oben allein“) emsig und erfolgreich. Eine permanente Erfolgsstory also? Kobusch schmunzelt: „Ich habe mal einen Berg (4000 m) als Erster bestiegen und dann darf der Erstbesteiger dem ja einen Namen geben. Ich habe ihn nach meiner Freundin benannt, aber das fand sie nicht so toll. Den Berg gibt es noch. Die Beziehung zur Freundin nicht mehr.“
Das ganz normale Leben ist manchmal komplizierter als ein schwieriger Achttausender. Aber Kobusch kennt das passende Lebens-Rezept: „Mit der richtigen Einstellung ist alles möglich.“