Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
WhatsApp auf dem Abstellgleis
Continental hat Datenschutzbedenken – Unternehmen im Südwesten prüfen Alternativen
HANNOVER (dpa) - Der Autozulieferer Continental untersagt seinen Mitarbeitern wegen Datenschutzbedenken ab sofort den Einsatz von Social-Media-Apps wie WhatsApp und Snapchat auf Diensthandys. Betroffen seien weltweit mehr als 36 000 Mobiltelefone, teilte Continental am Dienstag in Hannover mit. Die Dienste griffen auf potenziell vertrauliche Daten zu und wälzten die Verantwortung auf die Nutzer ab. Viele Unternehmen im Südwesten handhaben es ähnlich.
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HANNOVER - Der Autozulieferer Continental untersagt seinen Mitarbeitern wegen Datenschutzbedenken ab sofort den Einsatz von Social-Media-Apps wie WhatsApp und Snapchat auf Diensthandys. Dies gelte im weltweiten Unternehmensnetzwerk und betreffe mehr als 36 000 Mobiltelefone, teilte Continental am Dienstag in Hannover mit.
Die Dienste griffen auf persönliche und damit potenziell vertrauliche Daten zu – beispielsweise Adressbucheinträge. Dabei gehe es um Daten unbeteiligter Dritter. Seitdem die neue Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) gilt, müssen Verbraucher darüber informiert werden, wer Daten sammelt und dem zustimmen.
Continental kritisierte, die Anwendungen wälzten die Verantwortung auf die Nutzer ab. Um der DSGVO zu folgen, müssten WhatsApp-Nutzer von jeder Person im Adressbuch einzeln die Zustimmung zum Teilen ihrer Daten mit den Diensten einholen. Dies sei im Alltag „nicht ausreichend zuverlässig und damit praktisch untauglich“. Die Regelung zum Verbot der MessengerApps könne aber aufgehoben werden, wenn die Anbieter die unbedenkliche Nutzung „im Sinne des Datenschutzes schon in der Grundeinstellung“ermöglichten.
Suche nach Alternativen
WhatsApp und andere Messenger sehen auch Unternehmen in der Region kritisch. Nicht nur im Bezug auf den Datenschutz: So empfiehlt etwa der Autozulieferer ZF in Friedrichshafen seinen Mitarbeitern seit Jahren, WhatsApp nicht im Geschäftskontext zu nutzen, erklärte ein Sprecher. Grund dafür sei neben der Datenauch die Informationssicherheit. Ein Verbot wie bei Continental gebe es zwar noch nicht, es werde allerdings vor dem Hintergrund der neuen Rechtslage geprüft. „Wir setzen aber zugleich auf die vom Unternehmen bereits zur Verfügung gestellten Kommunikationswege, die neben EMail auch Chat- und Benachrichtigungsfunktionen enthalten“, sagte der Sprecher.
Der ebenfalls in Friedrichshafen ansässige Motorenbauer Rolls-Royce Power Systems verbietet seinen Mitarbeitern die
Nutzung von WhatsApp mit dem Diensthandy auch nicht grundsätzlich. „Wir untersuchen alternative Apps, die unseren Mitarbeitern ähnliche Funktionen bieten und gleichzeitig den Anforderungen der Datenschutzgesetze gerecht werden. Diese Untersuchungen sind so gut wie abgeschlossen“, teilte ein Sprecher mit. „Gleichzeitig schulen wir unsere Mitarbeiter intensiv, mit personenbezogenen Daten verantwortungsvoll und gesetzeskonform umzugehen.“
Der Optikkonzern Zeiss in Oberkochen prüfe die aktuelle Situation und behalte sich Einschränkungen bei der privaten Nutzung der DienstHandys vor, „sofern Dienste oder Apps, wie beispielsweise WhatsApp, nicht der Datenschutzgrundverordnung oder anderen gesetzlichen Rahmenbedingungen entsprechen“, so die Mitteilung des Unternehmens. Bei Boehringer-Ingelheim in Biberach seien WhatsApp und andere Messenger auf den Diensthandys aus Daten- und Informationsschutzgründen nicht vorgesehen. „Daher arbeiten wir an alternativen Lösungen für Messenger-Dienste, die alle wesentlichen Anforderungen erfüllen – auch die der DSGVO“, teilte das Pharmaunternehmen mit.
Der Automobilzulieferer Marquardt in Rietheim-Weilheim habe als Hersteller sicherheitsrelevanter Teile für namhafte Marken von jeher hohe Sicherheitsvorkehrungen getroffen, teilte ein Sprecher mit. Nicht zuletzt beim Datenschutz. „Deshalb sind wir auch gut auf die neue Europäische Datenschutzgrundverordnung vorbereitet. Auf einigen unserer Diensthandys werden Messenger-Dienste genutzt - in diesen Fällen stellen wir den Schutz personenbezogener Daten durch kontinuierliche Informationen und Schulungsmaßnahmen sicher.“
Zukünftige Handhabe ungewiss
Wie die private Nutzung von mobilen Dienstgeräten wie Smartphones und Tablets in Zukunft beim Technologie-Management-Anbieter CHGMeridian in Weingarten aussehen wird, werde derzeit ebenfalls geprüft, sagte ein Sprecher. „Die digitalen Nutzungsmöglichkeiten unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollen wir hierbei nicht einschränken. Als Arbeitgeber möchten wir den digitalen Arbeitsplatz der Zukunft so attraktiv wie möglich gestalten. Dazu gehört es somit auch, hierfür die beste Lösung zu entwickeln, die für uns als Unternehmen und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter passt.“
Diverse andere Unternehmen in Deutschland handhaben es ähnlich. Die Deutsche Bank habe die Nutzung von SMS, WhatsApp und anderen Messenger-Diensten auf Diensthandys bereits seit Januar 2017 untersagt, sagte ein Sprecher. Auch die Commerzbank erklärte, WhatsApp sei für geschäftliche Kommunikation nicht zugelassen. Beim Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport hieß es: „Bereits seit der Einführung dienstlicher Smartphones sperren wir technisch den Zugriff auf die Kontakte für alle Apps auf Grund von Sicherheitsund Datenschutzbedenken.“Bei Volkswagen sei eine separate Messenger-App im Einsatz.
Bedenken im Zusammenhang mit dem Hochladen von Kontaktdaten in Chat-Apps waren schon seit längerer Zeit immer wieder angesprochen worden. WhatsApp löste das Problem zuletzt so: Nutzer bestätigen mit der Zustimmung zu den aktuellen Nutzungsbedingungen, dass sie die Kontakt-Informationen „im Einklang mit geltenden Gesetzen“zur Verfügung stellen. Das kann man so verstehen, dass WhatsApp davon ausgeht, dass die Nutzer selbst die Erlaubnis zur Weitergabe der Daten eingeholt haben.
Der hannoversche Arbeitsrechtler Max Wittig erklärte, es handele sich um eine unternehmerische Entscheidung, eine Firma könne festlegen, wie Diensthandys verwendet werden. Danach müssten die Arbeitnehmer sich richten – selbst dann, wenn etwa bestimmt würde, nur per Post zu arbeiten.
„Wir möchten den digitalen Arbeitsplatz so attraktiv wie möglich gestalten.“Ein Sprecher des Unternehmens CHG- Meridian in Weingarten