Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
„Im Geiste sind wir späte Teenager geblieben“
Culcha Candela feiern 15-jähriges Bandbestehen
Seit 15 Jahren mischt die Berliner Band Culcha Candela mittlerweile das Musikgeschäft auf. Pünktlich zum Bandjubiläum präsentieren die vier Musiker am 25. August ihr siebtes Studioalbum „Feel Erfolg“. Große musikalische Veränderungen gab es in der Bandgeschichte nicht, dafür aber in der Besetzung. Von einst sieben Bandmitgliedern sind heute vier übrig geblieben. Eva-Maria Peter hat mit DJ Chino über das Älterwerden, Wandel und Zusammenhalt gesprochen.
15 Jahre Culcha Candela: Wie feiert ihr?
Standesgemäß mit einer neuen Platte, mit dem besten Album aller Zeiten. Im kleinen Kreis haben wir schon gefeiert, aber das neue Album ist dann doch ein Anreiz für eine große Jubiläums-Geburtstagsparty.
Party passt ja wunderbar zu Culcha Candela und euren „partylastigen“Songs. Wie wichtig sind Partys für euch mit zunehmendem Alter?
Party ist in jedem Alter ein Thema. Klar gibt es Phasen, in denen Party nicht im Vordergrund steht, aber das Bedürfnis auszugehen ist immer da. Partys sind eine Inspirationsquelle für neue Musik und interessante Szenerien. Vor allem in Berlin, da geht das Partyleben niemals aus.
„Alter ist nur eine Zahl“, sagt Pharrell Williams. Wie würdest du das Älterwerden beschreiben?
Ich stimme der Aussage zu 100 Prozent zu. Wir machen kein großes Aufheben um unser Alter. Wer rechnen kann, müsste wissen, dass wir ein etwas fortgeschritteneres Alter haben. Aber das Alter auf dem Personalausweis spielt keine Rolle. Im Kopf sind wir alle 17, maximal volljährig. Heute ist das alles sowieso viel lockerer. 50 ist das neue 40, 40 ist das neue 30 und so weiter.
Welches Alter hast du bislang am meisten gefeiert?
Eigentlich jedes auf seine Art. Ich ertrage das Schicksal des Älterwerdens ganz entspannt. So lange körperliche Gebrechen sich noch zurückhalten. Man kann es sowieso nicht ändern, abgesehen davon, dass man sich selber nicht runterwirtschaftet und ab und an einen Apfel isst oder ins Fitnessstudio geht.
Wie hat sich eure Band im Laufe der Zeit verändert?
Vor allem personell gab es Veränderungen. Wir sind zu siebt gestartet, das war der Grundstein. Nach drei Alben waren wir nur noch sechs, und seit 2015 sind wir noch zu viert. Musikalisch hat sich nichts verändert. Wir machen schon immer Partysongs, und uns ist gleichsam immer wichtig gewesen, den Kopf nicht komplett auszuschalten und auch nachdenkliche Songs zu schreiben. Im Geiste sind wir späte Teenager geblieben, auch wenn der ein oder andere mittlerweile Vater geworden ist.
Wikipedia sagt über euch: Culcha Candela ist eine 2002 gegründete Band des Reggae, Dancehall und Hip-Hop aus Berlin. Wie würdet ihr euch selber beschreiben?
Ganz unrecht hat Wikipedia nicht. Das sind die Bausteine unserer Musik. Die Mischung aus verschiedenen Musikrichtungen macht uns einzigartig. Und da kennen wir auch keine Grenzen. Das einzige Genre, das wir damals kategorisch ausgeschlossen haben, war der Schlager, den wir abstoßend finden. Trotzdem haben wir auf dem neuen Album einen Song mit schlagerähnlichen Klängen. Wir dachten, wenn ganz Deutschland schunkelt, schunkeln wir da mit einem nicht ganz ernstgemeinten Song zurück.
Was stört euch denn an der Schlagermusik?
Die neuen Interpreten sehen zwar aus wie moderne Menschen, verkörpern aber antiquiertes Gedankengut. Die sind aalglatt und sagen nie etwas zu wichtigen Themen. Schlager kratzt an der Oberfläche und langweilt mich.
Was hat euch Zusammenhalt gegeben in all den Jahren?
Die gemeinsame Vision Musik zu machen. Das ist ein Privileg, davon leben zu können. Wir sind auf der Bühne zu Hause, das macht uns am allermeisten Spaß. Gemeinsam auf Tour zu gehen und Festivals zu spielen und dann auch noch von Fans gefeiert zu werden, das treibt uns an.
Gab es in eurer Band jemals den Gedanken aufzuhören?
Zwischen 2012 und 2014 gab es eine Bandpause. Da hat sich jeder seine Gedanken gemacht. Ich bin einfach nur froh, dass wir vier uns zusammengerauft haben und unsere Vision weiter verfolgen. Das Jubiläum gibt uns recht und macht mich stolz. Momentan ist sicher kein Ende in Sicht.
Euer neues Album trägt den Titel „Feel Erfolg“. Was wollt ihr mit dieser Verbindung aus deutsch und englisch ausdrücken?
Tatsächlich ist der Titel wie unser Bandname auch aus zwei Sprachen zusammengesetzt. „Culcha“, englisch für Kultur, und „Candela“, spanisch für Feuer. Uns geht es aber mehr um die Bedeutung des Erfolgs. Erfolge sollten nicht nur in Zahlen oder Geldeinheiten ausgedrückt werden. Erfolg ist auch ein Gefühl. Wer etwas mit Herzblut macht und Gefühle reinsteckt, hat meistens Erfolg. Wir brauchen keine externe Instanz, die unseren Erfolg verbrieft. Wenn du fühlst, was du tust, wird das Ergebnis gut.
Was dürfen eure Fans vom neuen Album erwarten?
Dank den vielen jungen talentierten Musikern, die mitgewirkt haben, klingt das Album frischer als die bisherigen. Wir wollten den Culcha Sound vom Anfang zukunftstauglich machen. Es ist eine bunte Mischung mit klarem Konzept. Ich glaube vor allem, dass der Song „Cool mit mir selbst“, ein Feature mit der wunderbaren Ela, bei den Fans gut ankommen könnte.
Ihr besetzt bei der aktuellen Tour hauptsächlich Großstädte. Wann geht es wieder in ländliche Regionen?
Wenn es gut läuft auf der Tour, gibt es eine Zugabe im Frühjahr, und dann werden auch ländlichere Städte auf dem Plan stehen.
Eure Band steht für Toleranz und Gleichberechtigung. Welche Botschaft ist euch momentan besonders wichtig?
Wir wollen Leute erreichen, die abseits der gefühlten Norm stehen, und zum Nachdenken bewegen. Die Leute schneiden sich mit einer Protestwahl ins eigene Fleisch. Jemand, der die AfD oder eine rechtsradikale Partei wählen will, den wollen wir umstimmen und weg vom rechten auf den richtigen Weg bringen.
Was plant ihr konkret zur Bundestagswahl?
Bei unserer damaligen Tour haben wir von unseren Ticketverkäufen Geld abgezwackt und an Pro Asyl gespendet. Eine Aktion vor der Bundestagswahl ist fest geplant. Wir wollen erklären, warum wir wählen.
Was ist euer Wunschtraum für die Welt?
Bei den wirklich seltsamen Entwicklungen auf der Welt weiß man gar nicht, wo man anfangen soll. Es sind so viele verrückte Menschen an der Macht. Von Kriegsrhetorikern bis zu Diktatoren, die mit Nuklearwaffen Bedrohungssituationen schaffen. Das ist sehr beängstigend. Kurzum: Weltfrieden und Schutz für unseren Planeten, das wünsche ich uns.
Live: 3.10. München, Muffathalle; 4.10. Stuttgart, LKA-Longhorn