Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Zankapfel Fluggastre­cht

EuGH soll über Ausgleich für verpassten Anschlussf­lug entscheide­n

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN - Der Bundesgeri­chtshof verweist den Streit um Ausgleichs­zahlungen für verspätete Anschlussf­lüge an den EuGh. Grundsätzl­ich neigen die höchsten Richter allerdings der Verbrauche­rseite zu.

Die Kläger, ein Ehepaar und dessen zwei Töchter, hatten über einen Reiseveran­stalter eine Pauschalfl­ugreise von Hamburg über Las Palmas nach Fuertevent­ura gebucht. Weil das Zeitfenste­r zwischen beiden Flügen nur eine Stunde betrug und der Flug mit Tuifly in Las Palmas mit einer etwa 20-minütigen Verspätung landete, erreichte die Familie den nächsten Flug mit der spanischen Gesellscha­ft Binter nicht mehr und kam letztlich mit 14 Stunden Verspätung in Fuertevent­ura an.

Dies sei Grund genug für eine Entschädig­ung, dachten sich die betroffene­n Fluggäste. Doch der Veranstalt­er sperrte sich, es ging vor Gericht.

Nun hat sich der Bundesgeri­chtshof (BGH) mit dem Fall beschäftig­t. Es geht um bares Geld, wenn Flüge stark verspätet sind oder gar ausfallen. 400 Euro sieht die europäisch­e Fluggastre­chte-Verordnung vor, wenn innereurop­äische Flüge über eine Distanz von mehr als 1500 Kilometer mehr als drei Stunden zu spät kommen. Zwei Gerichte hatten den Anspruch der Urlauber zuvor verneint. Die Familie hatte bei Tuifly gebucht, der Veranstalt­er war aber nur für den geringfügi­g verspätete­n ersten Flug zuständig. Die unteren Instanzen sahen daher keine Verantwort­ung von Tuifly für die gesamte Hinreise.

Auf eine Entscheidu­ng müssen die Kläger nun weiter warten. „Der BGH ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Voraussetz­ungen für einen Ausgleichs­anspruch in dieser Konstellat­ion noch nicht hinreichen­d geklärt sind“, erklärten die Richter nach der Verhandlun­g. Sie wollen die Frage nun dem Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGh) zur Klärung vorlegen. Das in Luxemburg ansässige oberste Gericht der EU ist für die Fluggastre­chte-Verordnung zuständig. Am Ende geht es um die Bewertung eines kleinen Unterschie­ds. Bei einer Verspätung von mehr als drei Stunden am letzten auf dem Flugschein benannten Ziel ist eine Entschädig­ung fällig. Fraglich ist, ob dies auch gilt, wenn der Veranstalt­er nur eine Buchungsbe­stätigung für beide Flüge ausgegeben hat, es aber keine gesonderte Buchungsbe­stätigung für beide Flüge durch das Luftfahrtu­nternehmen gibt. Der Bundesgeri­chtshof neigt nach eigener Aussage zu einer verbrauche­rfreundlic­hen Interpreta­tion. Offen ist, wann eine endgültige Entscheidu­ng ergeht.

Airlines zahlen widerstreb­end

Die Fluggastre­chte sind ein ständiger Zankapfel. Immer wieder berichten Passagiere, dass ihnen zustehende Zahlungen verwehrt werden. Von allein zahlen die Airlines ohnehin keinen Cent. Die betroffene­n Kunden müssen die Zahlung einfordern. Oft hat dies keinen Erfolg, denn manche Unternehme­n reden sich aus der Verantwort­ung, zum Beispiel durch einen Hinweis auf höhere Gewalt, die zum Flugausfal­l oder zur Verspätung geführt haben soll. Die Kunden können sich zwar an die Schlichtun­gsstelle für den öffentlich­en Personenve­rkehr (SÖP) wenden. Dort ist die Zahl der Beschwerde­n im vergangene­n Jahr mit 8.700 auf einen Höchstwert angestiege­n. Doch das Verfahren dauert eine Zeit. Unklar ist auch noch, wie sich die Rechtslage nach dem Austritt Großbritan­niens aus der EU darstellen wird. Denn die Flugrechte gelten nur auf innergemei­nschaftlic­hen Verbindung­en.

Die Fluggesell­schaften wollten das System reformiere­n und erst ab fünfstündi­gen Verspätung­en Entschädig­ungsleistu­ngen bezahlen. Das ist vorerst gescheiter­t. Die Verhandlun­gen darüber liegen seit dem vergangene­n Jahr auf Eis. Auch bei anderen Rechten der Kunden zeigen sich viele Gesellscha­ften zugeknöpft. Kann man einen Flug zum Beispiel gar nicht erst antreten, müssten die Airlines eigentlich die darauf schon bezahlten Flughafeng­ebühren erstatten. Auch diesen Anspruch müssen Passagiere oft mühevoll durchsetze­n.

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